Chronik/Wien

In Spitälern geht die Angst vor dreisten Dieben um

Der Tag, an dem die kleine Emilia das Licht der Welt erblickte, war für Karin Graf-Brunnthaler nicht nur ein Tag voll mit Glücksgefühlen. Erschöpft von der Operation – die Ärzte hatten einen Kaiserschnitt durchgeführt – legte sich die Niederösterreicherin ins Bett, um sich von den Strapazen zu erholen. Als sie Stunden später erwachte und nach ihrem Handy greifen wollte, stellte sie fest, dass es jemand vom Beistelltisch gestohlen hatte. Ihr Mann Peter erstattete daraufhin Anzeige bei der Polizei. Auch wenn sich der finanzielle Schaden in Grenzen hält, waren Schreck und Ärger umso größer.

Ein paar Tage später wurde die Geburtenstation wieder zum Tatort. Dieses Mal erwischte es eine Bettnachbarin Graf-Brunnthalers. Ein Unbekannter hatte sich ins Zimmer geschlichen und aus einem Kasten eine Handtasche, Kopfhörer sowie eine Kette gestohlen. Der Täter nutzte wieder einen kurzen Moment aus, als sich niemand im Raum befand.

Emilias Vater möchte es aber nicht nur bei einer Anzeige bewenden lassen. Er kritisiert, dass aus seiner Sicht für die Sicherheit im Spital zu wenig gemacht wird. "Es ist ein paar Mal vorgekommen, dass ich außerhalb der Besuchszeiten in der Abteilung war. Kein einziges Mal wurde ich vom Personal angesprochen, was ich hier zu suchen habe." Zudem sei ihm bei der zuständigen Polizeiinspektion gesagt worden, dass es im SMZ Ost immer wieder Diebe unterwegs sein würden. Ein von der Exekutive ausgearbeitetes Sicherheitskonzept sei aber nicht umgesetzt worden. Der angebliche Grund: zu teuer.

Bestätigen will man diesen Vorwurf seitens der Landespolizeidirektion Wien zwar nicht, aber auch hier ist man sich der Problematik bewusst, dass Langfinger in den Spitälern viel zu oft leichtes Spiel haben.Tausende DelikteBeispiel Wiener AKH, eines der größten Krankenhäuser Europas. Mehr als 3000 Polizeieinsätze werden hier jährlich registriert. In den meisten Fällen mussten die Ermittler deshalb aktiv werden, weil Ganoven am Werk gewesen waren. Es seien meist schwierige Ermittlungen, oft kommen die Täter ungeschoren davon. "Der Grund ist, dass die Taten oft dann verübt werden, wenn der Patient schläft oder sich noch in der Aufwachphase nach einer Operation befindet."

Seitens des Krankenanstaltenverbandes (KAV) wird betont, dass generell alle Patienten über Aushänge und Infoblatt darüber informiert werden, dass die Gefahr von Dieben gegeben ist. Sollten sich Delikte häufen, werde auch sofort Kontakt mir der Polizei aufgenommen. Zudem gebe es in allen KAV-Spitälern Portiere, die die Eingänge rund um die Uhr bewachen würden.

August Baumüller ist Leiter des kriminalpolizeilichen Beratungsdienstes. Sein Job ist es, Tipps zu geben, wie man sich vor Ganoven schützt. "Wer einen Krankenhausaufenthalt vor sich hat, der sollte versuchen, möglichst wenig Wertgegenstände und Geld mit in sein Zimmer zu nehmen. Zudem empfehle ich, die Safes zu nützen, sofern sie vorhanden sind", sagt der Chefinspektor. Allerdings sollen diese für die Täter nicht die allergrößte Hürde darstellen, hört man.

Viele Menschen, unaufmerksam, weil krank und mitunter hektische Abläufe – diese Ausgangssituation erlaubt es Langfingern, in Krankenhäusern relativ unbehelligt ihr Unwesen zu treiben. Kein Wunder also, dass sich vom Bodensee bis ins Burgenland immer wieder verzweifelte Patienten an das Spitalspersonal wenden, weil ihnen Mobiltelefon, Tablet, Bargeld, Uhr oder Schmuck aus der Nachttischlade oder aus dem Kasten entwendet wurden. Ein Patentrezept zur Prävention gibt es nicht.

In Niederösterreich hat sich die Landeskliniken-Holding daher an einigen Standorten entschlossen, Wachmannschaften einzusetzen. In den Krankenhäusern in Baden, Tulln, Wiener Neustadt und auch im Hauptstadt-Klinikum St. Pölten gibt es während der Nachtstunden einen eigenen Sicherheitsdienst.

Der für die Spitäler zuständige Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf betont: "Die Sicherheit und der Schutz vor Diebstählen ist uns ein wichtiges Anliegen in unseren Spitälern. Von Seiten der Kliniken werden zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten und deren Eigentum zu schützen."

Tatsächlich sind die meisten Zimmer in Niederösterreichs Spitälern mit versperrbaren Fächern in den Kästen ausgestattet. "Einigermaßen wirkungsvoll sind diese freilich nur, wenn sie auch tatsächlich abgeschlossen werden und die Schlüssel sicher verwahrt sind", sagt ein Ermittler der Exekutive.

Manche Häuser bieten auch an, persönliche Gegenstände auf Wunsch in den Stations-Stützpunkten zu deponieren. Pernkopf: "Das Personal ist angehalten, im Rahmen des Aufnahmegesprächs die Patienten gesondert über die Verwahrung von Geld und Wertsachen zu informieren." Gemeinsam mit der Landespolizeidirektion wurden und werden die Klinik-Mitarbeiter im Hinblick auf Diebstähle speziell geschult.