Chronik/Wien

Wien kämpft gegen Bauspekulation

KURIER: Herr Stadtrat, Wien wächst. 2030 werden laut Prognosen zwei Millionen Menschen in Wien wohnen. Nur wo?

Michael Ludwig: Die Herausforderung ist, dass verfügbaren Flächen nicht mit der Bevölkerung mitwachsen. Wir müssen daher nachdenken, wie wir mit unseren Grundflächen umgehen. Wir wollen den Grünraumanteil erhalten, etwa die Weinberge in Wien. Das bedeutet, dass wir uns um die Bereiche kümmern müssen, die man als Bauland heranziehen kann.

Sie haben in dem Zusammenhang eine Novelle der Bauordnung angekündigt. Welche Änderungen soll es konkret geben?

Wir werden die neue Widmungskategorie „förderbarer Wohnbau“ einführen. Damit wollen wir festlegen, dass auf diesen Gründen förderbarer Wohnbau errichtet wird.

Wie können Sie das festlegen?

Indem man in der Widmung vorschreibt, dass bestimmte Wohnungsgrößen nicht überschritten werden dürfen oder dass der Niedrigenergiestandard eingehalten werden muss.

Kann man denn den Grundstückseignern vorschreiben, wie sie zu bauen haben?

Nein, das kann man nicht im Detail. Aber die Widmung ist so, dass förderbarer Wohnbau möglich ist. Wenn der Grundstückseigner trotzdem frei finanziert bauen will, aber die Kriterien einhaltet, ist das auch möglich.

Was tun Sie, um die Spekulation mit Grundstücken einzudämmen, wie es bei U-Bahn-Ausbauten doch öfters vorkommt?

Unter bestimmten Voraussetzungen werden Umwidmungen in Bauland nur noch befristet erfolgen. Das heißt, ein Grundstückseigner muss innerhalb einer Frist Baumaßnahmen setzen und kann nicht warten, bis der Wert des Grundstücks steigt. So ist gesichert, dass Bauland nicht brach liegt und es keine Spekulation gibt.

Wie lange sollen diese Widmungen gelten?

Ich stelle mir fünf bis zehn Jahre vor, der genaue Zeitraum ist noch Teil der Verhandlungen mit den Grünen.

Wie viel Bauland hat die Stadt Wien noch vorrätig und wie lange kommt man damit aus?

Der wohnfonds_wien hat derzeit zwei Millionen Quadratmeter an Grundstücken, die wir für den geförderten Wohnbau bevorratet haben. Wir gehen davon aus, dass wir damit und weiteren zugekauften Flächen in den nächsten 10 bis 15 Jahren den Bedarf decken.

Muss Wien nicht auch in die Höhe wachsen, um Grundstücke besser auszunutzen?

Wenn wir den hohen Grünanteil erhalten wollen, müssen die zu verbauenden Flächen urbanen Charakter haben. Das ist nicht nur eine Frage der Höhe, sondern auch der Dichte. So muss man etwa in der Nähe von U-Bahnen sicher dichter bauen.Derzeit protestieren viele Bürgerinitiativen gegen Neubauten. Wie wollen Sie diese ins Boot zu holen?

Indem man sie früh einbindet und Vorteile präsentiert, etwa den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Aber es wird immer Interessenskonflikte geben. Wer den freien Blick auf ein Feld gewohnt ist, der wird sich nicht sofort über Neubauten freuen.

Teure Äcker

Im Schnitt stiegen die Preise für Liegenschaften in fünf Jahren um 20 Prozent. Bei Ackerland sind Steigerungen allerdings weit höher. Wurden diese vor zehn Jahren noch zum Agrarpreis gehandelt, so werden heute zum Teil fast Baulandpreise verlangt.

Gegenmaßnahmen

Um Spekulationen zu verhindern, will die Stadt die Widmungen begrenzen. Allerdings sind bereits gewidmete Baugründe nicht davon betroffen. Die Maßnahmen kommen spät: Allein im Vorjahr stieg die Bevölkerung in Wien um knapp 26.000 Menschen.

Kontrolle fehlt.Mängel bei der Kontrolle und bei den Vorgaben hat der Rechnungshof bei der Gebietsbetreuung der Stadt Wien entdeckt. Dabei handelt es sich um eine Beratungs- und Serviceeinrichtung zur Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität.

Das ernüchternde Ergebnis der Prüfer: Die seit der Gründung 1974 erbrachten Leistungen wurden bisher nie evaluiert. Weder in den seit 1999 durchgeführten Ausschreibungen noch im Zuge der operativen Steuerung habe es messbare Ziele oder Termine für die externen privaten Auftragnehmer gegeben, welche die Beratungsleistungen durchgeführt hatten.

Die Stadt stellte in einer Stellungnahme, die im Bericht festgehalten wurde, Besserung in Aussicht. Geplant sei, die empfohlene Überprüfung 2014 abzuschließen.

Budget

Auch die Finanzen der Gebietsbetreuung haben sich die Kontrolleure näher angeschaut: Das Budget für die Gebietsbetreuung Stadterneuerung und die „Wohnpartner“ stieg zwischen 1999 und 2011 von rund 3,34 Mio. Euro auf rund 16,66 Mio. Euro. Aufgefallen ist den Prüfer dabei unter anderem ein starker Anstieg des Budgets seit 2007.

Besonders kritisch beäugten sie die Erhöhung um rund 2,5 Mio. Euro zwischen 2007 und 2009 – insbesondere für Veranstaltungen, Öffentlichkeitsarbeit, Zusatzaufträge bzw. Sonderprojekte. Im selben Zeitraum seien die Auftragssummen für die Gebietsbetreuungen nämlich unverändert geblieben.