Chronik/Wien

Markus Reiter: "Ich bin kein typischer Grüner"

Markus Reiter wird am Donnerstag als neuer Vorsteher des siebten Bezirks angelobt. Nach der Landesversammlung der Grünen, auf der die Mitglieder die unter Druck geratene Maria Vassilakou in ihrem Regierungsamt bestätigten und einem Leitantrag zur umfassenden Parteireform zustimmten, will er die Partei stärker öffnen.

KURIER: Der Aufstand gegen Maria Vassilakou ist abgeblasen. Sind die grün-internen Grabenkämpfe nun vorbei?
Markus Reiter: Für mich als Neuen in einer Spitzenposition geht es darum, nicht über die Gräben, sondern über das Verbindende zu sprechen. Der Leitantrag zeichnet genau den richtigen Weg. Natürlich sind auch mir in der Vergangenheit Dinge aufgefallen, wo ich gesagt habe: Bitte greifen wir hin.

Welche?

Was die Neubauer Grünen bereits in Angriff genommen haben, ist die Öffnung der Partei. Menschen wollen sich an demokratischen Entscheidungen beteiligen. Aber vielleicht nur für eine gewisse Zeit und Aufgabenstellung. Für Neubau schwebt mir vor, Menschen zu konkreten Projekten oder Themenstellungen einzuladen – egal ob sie Parteimitglied sind oder nicht.

Ausgangspunkt für die Reform, die sich die Partei nun verordnet hat, war das Wahldebakel vom 15. Oktober. In Neubau betrug das Minus 20 Prozentpunkte. Wie wollen Sie den Bezirk wieder zur Hochburg machen?

Neubau ist und bleibt eine grüne Hochburg. Wenn mich die Wähler kennenlernen und wissen, dass ich sie einbinde, werden sie das honorieren. Im Herbst war Nationalratswahl. 2020 geht es um eine andere Ebene und es wird dann eine andere Zeit sein.

Ihr Vorgänger Thomas Blimlinger hat mehr Offenheit gegenüber nicht grün-affinen Menschen eingemahnt. Ein guter Vorschlag?

Wir sind uns darin sehr einig. Ich bin kein typischer Grüner, sondern eher der Pragmatiker mit dem notwendigen Zug zum Tor. Ich kann mit ganz vielen Menschen – weit über ideologische Grenzen hinaus.

Was ist ein typsicher Grüner?

Die DNA der Grünen ist, sehr stark in Opposition zu einem bestimmten System zu stehen. Regierungsverantwortung und widerständige, sehr inhaltlich orientierte Politik schaffen ein Spannungsfeld. Ich bin es schon lange gewohnt, Verantwortung zu übernehmen und das prägt.

Welche Schwerpunkte wollen Sie im Bezirk setzen?

Der Schwerpunkt liegt im Sozialen und im Beteiligen. Nächstes Jahr steht der Umbau des Josef-Strauß-Parks an – als Beispiel dafür, wie Freiräume generationengerecht gestaltet werden können. Das mag nicht die große Politik sein, aber es ist im Alltag das Entscheidende. Mein großes Projekt ist das Sophienquartier.

Wie geht es nach der Spitalsabsiedlung weiter?

Derzeit haben wir dort ein Notquartier für Obdachlose. Mir ist wichtig, dass das Areal in öffentlichem Eigentum bleibt. Ich möchte dort den Grünraum öffnen und leistbares Wohnen und Bildungsangebote realisieren. Es kann nicht sein, dass es nur teure, frei finanzierte Wohnungen gibt – da werden wir einen Akzent setzen. Die Gespräche mit der Stadt stehen aber noch am Beginn.

Welchen Themen wollen Sie noch angehen?

Zukunftsthemen sind der Klimaschutz und ein moderner Umgang mit Mobilität. Ich stehe als Grüner dazu, dass wir auch motorisierte Mobilität brauchen. Der Unterschied liegt in der Zurverfügungstellung und dem Besitz von Mobilität. Ich werde ein Befürworter des Ausbaus von Carsharing sein, außerdem wollen wir Mobilitätsberatungen starten.

Im Zuge des U2-Ausbaus werden neue Aufgänge zur Mariahilfer Straße und Kirchengasse gebaut. Muss der 13A dann wieder seine Route ändern?

Es gibt einen eindeutigen Beschluss der Bezirksvertretung gegen die Führung über die Neubaugasse und daran halte ich mich. Alles andere verhandeln wir mit den Wiener Linien. Die weit wichtigere Frage ist, wie wir mit der Belastung der Anrainer und Geschäftsleute durch die Großbaustelle umgehen. Wir starten im Frühjahr mit Informationsveranstaltungen. Ganz rasch wollen wir eine Perspektive bieten, wie das gesamte Grätzel nach dem U-Bahn-Bau künftig aussehen wird.

Ist eine Ausdehnung der Begegnungszone in die Kirchengasse möglich?

Ich schließe es nicht aus. Es wird aber kein Diktat geben, sondern wir werden gemeinsam mit den Bürgern entscheiden.

Der 46-Jährige Markus Reiter folgt mit 30. November Thomas Blimlinger nach, der 16 Jahre die Geschicke des siebten Bezirks lenkte. Reiter war 13 Jahre Geschäftsführer der Sozialorganisation neunerhaus, die er 1999 mitgegründet hatte. Die Initiative betreut jährlich 4500 obdachlose Menschen. Reiter wurde 1971 im oberösterreichischen Gmunden geboren und studierte in Linz Sozialwirtschaft. Ab 1989 engagierte er sich bei den Grünen, neben dem Studium war er in der Hochschulpolitik aktiv. 2001 wurde er in Neubau zum Bezirksrat gewählt. Privat kocht der Vater dreier Kinder gerne für Familie und Gäste auf und spielt Fußball sowie Klarinette.