Chronik/Wien

"Ich bin ein moderner Kirchenwirt"

Es wuselt, am Sankt-Ulrichs-Platz. Die Sonne scheint, die Menschen spazieren mit einem Eis in der Hand zwischen der Neustift- und der Burggasse oder sitzen im Schanigarten – entweder im "Ulrich" oder im "Erich"; das Morgenstern, das zwischen den beiden Cafés liegt, hat um diese Uhrzeit noch geschlossen.

"Es tut sich was rund um die Kirche", sagt Gerald Bayer – und er muss es wissen. Der 41-Jährige lebt nicht nur seit zehn Jahren in Neubau, er war auch maßgeblich an der Entwicklung des Grätzels rund um die Ulrichskirche beteiligt.

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Bayer war zehn Jahre lang Geschäftsführer des Café Halle im Museumsquartier. Im Dezember 2013 eröffnete er das "Ulrich" in den Räumlichkeiten des alten Gasthaus Spatzennest oben am Ulrichsplatz bei der Burggasse und im Februar dieses Jahres das "Erich" im alten Gasthaus Nepomuk unten am Ulrichsplatz bei der Neustiftgasse. Wirtshausmäßig ist das "Erich" sozusagen der kleine Bruder vom "Ulrich".

Bauchentscheidung

Seit Bayer das "Ulrich" vor zwei Jahren eröffnete, seien ihm etwa zwanzig Lokale angeboten worden. Aber ein zweites Lokal in einem Bezirk weit weg von jenem, in dem er wohnt und arbeitet, sei für ihn nicht in Frage gekommen. "Als aber dann der ehemalige Besitzer vom Gasthaus Nepomuk zu mir ins ‚Ulrich‘ hereinspaziert ist und mich gefragt hat, ob ich es übernehmen will, habe ich gewusst: Ich mache das. Es war eine Bauchentscheidung", sagt Bayer. Eine für das Grätzel. "Wenn ich es nicht gemacht hätte, und das neue Lokal wäre ein gutes geworden, hätte ich mich jeden Tag geärgert. Und wenn es schlecht geworden wäre, hätte ich mich auch geärgert." Denn Bayer kennt sein Grätzel und die Menschen im Grätzel kennen ihn. "Ich sehe mich hier als den modernen Kirchenwirt" , sagt er. Und das Grätzel um den Sankt-Ulrichs-Platz sei so etwas wie in ein Dorf, weil: "In jedem Dorf steht in der Mitte die Kirche."

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Rum um diese Kirche tut sich aktuell sehr viel. Das hat auch Zita Hradetzky bemerkt. Die heute 86-Jährige hat 40 Jahre lang das Gasthaus Spatzennest am Sankt- Ulrichs-Platz geführt. "So viel wie jetzt, war da noch nie los", sagt Frau Hradetzky. Sie kommt jeden Tag auf ein Glaserl Prosecco und ein Bummerl zu Gerald Bayer ins "Ulrich".

Genau zwischen dem "Erich" und dem "Ulrich" liegt das "Eigensinnig", ein Designer-Laden, der laut Eigenangabe Mode für "Kreative, Querdenker und Visionäre" im Repertoire hat – vor allem in der Farbe Schwarz.

Wiener Mode

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Schräg gegenüber auf den Treppen zur Ulrichskirche sitzen Lisa, Christina und Philip mit ganz blauen Lippen. Schuld daran ist das Heidelbeer-Lavendel-Eis vom veganen Eissalon "Veganista" ums Eck. Und wer im Schanigarten vom "Erich" sitzt, kann die Auslagen des Mode-Geschäfts "Goldstück" bewundern. Antonia Gruber (33) verkauft in ihrem Laden ausschließlich selbst designte Kleidungsstücke ihres Labels "Wiener Kreation" – Mode im Stil der 50er-Jahre. "Die Stoffe kommen alle aus Europa und wir schneidern zu 90 Prozent in Wien", sagt Antonia Gruber.

Dass der Ulrichsplatz an Flair gewonnen hat, ist auch ihr längst aufgefallen. "Alle Unternehmer hier haben ein nachbarschaftliches Verhältnis untereinander", sagt Gruber. "Das ist schon auch der Verdienst vom Gerald. Er hat immer probiert, dass sich die Geschäftsleute näher kommen. Und jetzt haben wir hier eben einen Dorfplatz."

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Wer und wo

Ulrich
Café, Bar, Restaurant
7., Sankt-Ulrichs-Platz 1

Erich
Café, Bar
7., Neustiftgasse 27

Veganista
Veganer Eissalon
7., Neustiftgasse 23/3

Eigensinnig
Designer-Mode
7, Sankt-Ulrichs-Platz 4/2

Goldstück
Vintage-Modesalon
7., Neustiftgasse 31

Im Hof des Nachbarhauses ist ein Fitness-Studio eingerichtet, im zweiten Stock zwei Häuser weiter wird ein Workshop für Naturkosmetik veranstaltet und drei Gassen weiter hat eine Shiatsu-Praxis eröffnet. Wer weiß schon so genau, was alles in seinem Grätzel los ist?

Kaum jemand. Das haben Mirjam Mieschendahl, Michael Walchhütter, Peter Tilg und Christoph Bauer in ihrem eigenen Grätzel, dem Stuwerviertel in der Leopoldstadt, selbst hautnah miterlebt. Und das wollen sie ändern: Gemeinsam haben sie deshalb die Online-Plattform "Im Grätzl" gestartet.

Dort kann man online seinen Bezirk und das Grätzel, in dem man wohnt, auswählen und wird dann über kleine Geschäfte in der Umgebung, nette Initiativen, Märkte oder bevorstehende Veranstaltungen informiert. Wer will, kann auch selbst Einträge machen. Ziel ist, kleine Geschäfte im Grätzel wieder sichtbar zu machen. www.imgraetzl.at