Chronik/Wien

Heavy Metal ist im 6. Bezirk "ortsunüblich" und "lästig"

Es war Folter für mich", sagt Anna Seliga. Die 57-Jährige wohnt seit 1982 in einer ruhigen Innenhof-Wohnung in der Gumpendorfer Straße in Mariahilf. Doch im Herbst 2007 war Schluss mit der Ruhe. Im Keller des Nachbarhauses wurde ein Proberaum für Musikgruppen eingerichtet. Wand an Wand mit Seligas Wohn- und Schlafzimmer. "Schlagzeuge und Bässe in einem unerträglichen Ausmaß waren das", sagt Seliga. Vor allem Heavy-Metal- und Hardrock-Bands nutzten die Proberäume; meistens ab Mittag, oft bis länger als 22 Uhr, sagt Seliga. "Heavy Metal impliziert ja schon den totalen Krach", sagt Seliga.

Seit der Proberaum eröffnet hat, leide die Sozialarbeiterin an Schlaf- und Konzentrationsstörungen, klagt sie. Außerdem sei sie aggressiver geworden und habe in der Arbeit Stunden kürzen müssen. Zwei Jahre lang habe sie versucht, sich mit dem Nachbarn zu einigen – erfolglos. Also hat sie geklagt.

"Ortsunüblicher" Lärm

Anwalt Wolfgang List hat eine Unterlassungsklage gegen den Betreiber des Proberaums eingebracht. Mit Erfolg. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Begründung: Frau Seliga wohne zwar in einem dicht besiedelten Stadtgebiet, müsse aber deshalb nicht "die völlig andersartigen (...) Geräusche von Rockmusik" mehrere Stunden täglich "dulden".

"Das Gericht prüft zuerst, ob der Lärm ortsüblich oder ortsunüblich ist. Wird er als ortsüblich angesehen, wird zusätzlich geprüft, ob der Lärm die Gesundheit gefährdet", sagt Anwalt List.

Der Oberste Gerichtshof (OGH), der zuletzt mit dem Fall betraut war, schreibt in seinem Urteil, dass die Wohnung der Frau zwar "im städtischen, dicht bebauten Stadtgebiet" liegt und dass etwa Verkehrslärm durchaus als ortsüblich angesehen werden kann. Aber selbst dann ist "der Lärm, der von stundenlangen Proben diverser Heavy-Metal- und Hardrockgruppen ausgeht, nicht als ortsüblich anzusehen". Gemessen am Straßenlärm sei der Lärm der Musikgruppen laut OGH sogar "besonders lästig".

Nur die "Braven"

Nikolaus Gabor, emeritierter Anwalt, dessen Frau die Proberäume betreibt, kann das Urteil des OGH nicht nachvollziehen. Sieben Jahre lang habe er dauernd Anzeigen bekommen, dabei habe er 200.000 Euro in die Proberäume investiert, damit diese auch wirklich schalldicht sind. "Die, die bei mir spielen, sind alles Akademiker, deren Hobby die Musik ist. Ich hab’ extra die Braven ausgesucht", sagt Gabor.

Seit Oktober ist der Proberaum nun geschlossen – vorerst. Denn der OGH will ein weiteres Lärmgutachten von der Ruhe-Situation in der Gumpendorfer Straße. Wolfgang List, Anwalt von Anna Seliga, beunruhigt das nicht. "Das wurde ohnehin schon gemacht", sagt List. Auch Anwalt Gabor wartet das Gutachten ab: "Ich schließe nicht aus, wieder aufzusperren", sagt er.