Chronik/Wien

„Wir sind gekommen, um zu bleiben“: Hausbesetzung in Ottakring

In unregelmäßigen Abständen öffnen sich die Flügelfenster und ein paar vermummte Köpfe schauen hinaus. Eine junge Frau liest mit Megafon das Manifest vor. Ihre Stimme geht im Straßenlärm verloren. Die Parolen sind aber deutlich zu hören: „Wir sind gekommen, um zu bleiben!“, rufen die Menschen aus den Fenstern, „Häuser denen, die drin wohnen!“ Ab und zu flattern Zettel aus den Fenstern.

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Die Gruppe – beim Lokalaugenschein des KURIER waren zumindest acht Personen zu sehen - ist gut vorbereitet. Zum veganen Kuchen gibt’s Flyer und Transparente: „Instandbesetzen statt Kaltbesitzen“, heißt es darauf.

Gemeint ist ein Gründerzeit-Haus in der Neulerchenfelderstraße 35, seit rund einem Jahr ungenutzt. Die ehemalige Druckerei im Herzen von Ottakring steht seit dem Konkurs leer.

Von Hausbesetzerszenen, wie man sie in Wien noch von der Pizzeria Anarchia, jenem Haus im zweiten Wiener Gemeindebezirk, das 2014 von bis zu 1.500 Beamten geräumt wurde, in Erinnerung hat, ist man hier noch weit entfernt. Überhaupt haben bislang Anrainer von der Hausbesetzung noch kaum Notiz genommen, dabei sind die Hausbesetzer, die hier für leistbare Mieten kämpfen möchten, schon seit Mitte November vor Ort.

Das Haus gehört der „DAW Leasing GmbH“. Dieser wird von den Hausbesetzern vorgeworfen, in Spekulationen verwickelt zu sein. Für den KURIER war die Gesellschaft bis zuletzt telefonisch nicht erreichbar.

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Etwas nervös zeigen sich zwei Mitarbeiter des Installateurs, der direkt neben der ehemaligen Druckerei sein Geschäft betreibt. Dem Eigentümer gehört nämlich ein kleines, leerstehendes Kaffeehaus im Erdgeschoss des besetzen Hauses. „Wir hoffen, dass sie dort nicht auch reingehen“, sagt der Verkäufer Roman Hansl. Sein Kollege Sebastian Marvan kann sich gut vorstellen, dass die Aktivisten über die alte Eingangstüre oder über die Flachdächer in das Haus gekommen sind. „Aber eigentlich haben wir noch nicht viel von den Besetzern mitbekommen“, sagt Marvan.

Eine Anrainerin, die seit Jahren in der Neulerchenfelderstraße wohnt, spricht sich für die Hausbesetzung und den Protest aus. „Ich unterstütze das sehr“, sagt sie, „Kein Mensch kann sicher mehr etwas leisten, das ist doch kein Leben.“

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Samet Üstüner betreibt in der Nähe des Hauses ein Bekleidungsgeschäft. „Ich verstehe die Anliegen der Protestierer, jeder hat das Recht zu demonstrieren, ich hoffe nur, dass es friedlich bleibt“, sagt er. Er ist aber skeptisch, ob das Hausbesetzen die richtige Art und Weise ist, um auf Probleme aufmerksam zu machen – „vor allem in einer Einkaufsstraße“, wie er die Neulerchenfelderstraße bezeichnet.

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Tommy Nguyen, der Kellner des benachbarten vietnamesischen Restaurants, macht sich keine Sorgen. „Das wird schnell wieder vorbei sein“, sagt er. Er könnte Recht behalten. Der Eigentümer des Gebäudes habe bereits beantragt, die Aktion zu beenden, sagte ein Sprecher der Polizei. Ob es zu einer Räumung kommt, ist aber noch offen.