Chronik/Wien

Glücksminister von Bhutan beehrt die Seestadt

In der Seestadt Aspern gebe es kaum Grund zum Granteln, möchte man meinen: Unter anderem lockten geförderter Wohnbau, der U-Bahn-Ausbau und ein eigener Bildungscampus bis dato rund 6000 Menschen ins Donaustädter Stadterweiterungsgebiet. Und doch scheint die Seestädter der Schuh zu drücken – wie auch das Ergebnis der Wien-Wahl im Vorjahr vermuten ließ: Immerhin wählten dort 38,6 Prozent blau, was die Protestpartei FPÖ zur Nummer eins am See machte.

Heute, Donnerstag, könnte die Zufriedenheit einiger Seestädter schlagartig steigen: Denn der Glücksminister von Bhutan, Ha Vinh Tho, besucht von 13.30 bis 16 Uhr im Rahmen der „Feelgood-Tour“ ortsansässige Unternehmer. Zum Glücksspaziergang eingeladen sind aber alle Interessierten.

Individuelle Erwartungshaltung

Gegrantelt wird hier auf hohem Niveau: Die Unzufriedenheiten der Bewohner seien keine anderen als anderswo, meint Wencke Hertzsch vom Stadtteilmanagement, das Anrainern und Wirtschaftstreibenden als Anlaufstelle bei Problemen und Fragen dient.

Der eine habe sich noch nicht an die großen Sammelgaragen gewöhnt und vermisse den Parkplatz vor der Tür; der andere verfluche den Wind, weil bei den Öffi-Stationen noch keine Wartehäuschen aufgestellt wurden; der dritte wünsche sich dichtere U-Bahn-Intervalle, dem vierten sei die naturnahe Seestadt zu laut – und dem fünften wiederum zu leise und zu naturnah. „Es kommt immer auf die individuelle Erwartungshaltung an“, sagt Hertzsch.

„Insgesamt tut die Seestadt viel für das Wohlbefinden ihrer Bewohner“, meint etwa Hotelier Karl Heinz Slabschi – der den Glücksminister eingeladen hat. Der Mitbegründer des Vereins für Gemeinwohlökonomie erhofft sich vor allem für die Geschäftsleute der Seestadt einen Mehrwert. Ist Herr Tho doch jemand, der sich nicht an Profit, sondern am Wohlbefinden der Menschen orientiert.

Feelgood-Hotline

Das tut der Gelehrte, der dank seiner Schulzeit in Wien fließend Deutsch spricht, am Gross National Happiness Centre von Bhutan – wo das Bruttonationalglück der Bürger erforscht wird (siehe unten). Trotz finanzieller Armut und hoher Arbeitslosigkeit in der südasiatischen Monarchie gaben im Jahr 2010 bei einer landesweiten Umfrage 88,7 Prozent der Bhutaner an, (gerade noch bis zutiefst) glücklich zu sein.

Interessierte können sich über die Feelgood-Hotline 0676/33 888 33 über den heutigen Spaziergang mit dem Glücksminister informieren.

1972 rief Jigme Singye Wangchuck, damals König von Bhutan, Glück zum obersten Politik-Ziel aus. Die Idee ist aber älter: Bereits im 18. Jahrhundert wurde eine Regierung für unberechtigt erachtet, wenn sie nicht für das Glück ihrer Bürger sorgen könne. 2008 erhielt Gross National Happiness (GNH) – das Bruttonationalglück – schließlich Verfassungsrang. Sein Fortschritt wird anhand des GNH-Index gemessen.

Die vier Säulen von GNH sind: die Förderung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung, die Bewahrung und Förderung kultureller und buddhistischer Werte, der Schutz der Umwelt sowie gute Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die vom GNH-Centre erhobenen Daten sollen der Regierung helfen, die Lebensbedingungen der weniger glücklichen Einwohner gezielt zu verbessern.