Gewalt im Spital nimmt zu
Von Josef Gebhard
Jedes Mal, wenn Gerda T. (Name geändert) zum Nachtdienst einrücken muss, beschleicht sie ein mulmiges Gefühl. Schuld daran ist ein schlimmes Ereignis, das der Krankenschwester an der Unfall-Ambulanz im Wiener Wilhelminenspital im Februar widerfuhr. "Ohne Vorwarnung ist eine alkoholisierte Patientin mit ihren Krücken auf mich losgegangen." Die Pflegerin erlitt Verletzungen am Oberschenkel, zwei Wochen lang waren die blauen Flecken zu sehen.
Bei weitem kein Einzelfall: Allein auf dieser Abteilung kommt es laut internen Aufzeichnungen jedes Jahr im Schnitt zu 100 bis 120 tätlichen Übergriffen auf das Personal. Besonders jetzt zur Weihnachtszeit häufen sich die Fälle, vermutlich weil Menschen in dieser Zeit angespannter sind.
"Die Verletzungen reichen von Bisswunden bis hin zu gebrochenen Nasen", erzählt ein Pfleger. "In den vergangenen Jahren haben die Attacken deutlich zugenommen. Warum, wissen wir selbst nicht genau. Offenbar ist die Hemmschwelle zuzuschlagen deutlich gesunken."
Der typische Aggressor unter den Patienten sei männlich und zwischen 30 und 50 Jahre alt. "In vielen Fällen spielt Alkoholisierung eine Rolle", schildert der Pfleger, der anonym bleiben will.
Zwar gebe es seit einigen Jahren in den Häusern des Wiener Krankenanstaltenverbunds ein spezielles Deeskalationstraining, in dem das Personal den richtigen Umgang mit schwierigen Patienten lernt, doch das reiche in vielen Situationen nicht aus. Oft sei man gezwungen, die Polizei zu alarmieren. "Bis sie bei uns ist, vergehen aber manchmal bis zu zehn Minuten."
"Wir brauchen daher dringend einen zweiten Security-Mitarbeiter", fordert Günter Wukovits, Personalvertreter im Wilhelminenspital. Und zwar einen Personenschützer. Der jetzige Security sei bloß ein Objektschützer, der hinsichtlich tätlicher Übergriffe nur beschränkt geschult sei. "Obendrein kann er wegen unserer sehr weitläufigen Spitalsanlage oft nicht rechtzeitig zum Ort des Geschehens kommen."
Sparen bei Sicherheit
Schon im März habe man um eine zweite Sicherheitskraft gebeten. "Die kollegiale Führung hat das auch befürwortet. Jetzt hat sich gezeigt, dass dieser Posten im Budget für 2017 doch nicht vorgesehen ist. Hier werden von der Generaldirektion Peanuts auf Kosten der Sicherheit des Personals eingespart", ärgert sich der Personalvertreter.
"Wir werden alles daran setzen, dass das Wilhelminenspital einen zweiten Security bekommt. Und zwar so schnell als möglich", sagt Pflegedirektor Günter Dorfmeister. Er verweist zudem auf das gezielte Deeskalationsmanagemet. Allein in seinem Haus gebe es drei speziell geschulte Trainer. Weiters gebe es eine gute Kooperation mit der Polizei.
Auch Dorfmeister bestätigt, dass die Gewalt gegenüber Spitalspersonal tendenziell zunehme. "Hier hat man es wohl mit einem generellen gesellschaftlichen Problem zu tun. "Man muss nur regelmäßig mit der U-Bahn unterwegs sein, um eine Verrohung der Gesprächskultur feststellen zu können."