Gewalt an Schulen: Runder Tisch soll Abhilfe schaffen
Von Bernhard Ichner
Die Bereitschaft von Schülern, physische oder auch psychische Gewalt gegen andere - auch gegen das Lehrpersonal - auszuüben, nehme an Wiener Schulen immer mehr zu, meint man bei der Wiener ÖVP. Es sei längst keine Ausnahme mehr, dass Lehrkräfte beleidigt, im Internet verunglimpft, gemobbt oder sogar tätlich angegriffen werden, sagt Stadtrat Markus Wölbitsch. Die Stadttürkisen fordern daher eine Reihe von Maßnahmen von der rot-grünen Stadtregierung. Dort erachtet man die türkise Kritik allerdings als "unwürdige Polit-Show" - zumal man aktuell von Budgetkürzungen durch ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann unmittelbar betroffen sei.
Gewalt sowie "die zunehmende Radikalisierung und Islamisierung an Wiens Schulen" dürften kein Tabuthema mehr sein. Doch genau das sei der Fall, meint Lehrer-Gewerkschafterin Romana Deckenbacher. Obwohl sie "täglich" Beschwerden aus der Kollegenschaft erreichen würden und zahlreiche Fälle von Gewalt an Wiener Pflichtschulen bekannt wären, würden sich vor allem junge Lehrer mit befristeten Verträgen "aus Angst vor Repressalien" (durch den Arbeitgeber; Anm.) "oder aus Sorge um den Ruf ihrer Schule" nicht an die Öffentlichkeit wagen.
Als Beispiele nennt Deckenbacher, dass Lehrer bespuckt wurden. Einem Kollegen sei der Mittelhandknochen gebrochen worden, einer Lehrerin hätten Schüler die Finger absichtlich in der Klapptafel eingezwickt und wieder andere Kolleginnen wären von aufdringlichen Vätern begrapscht worden. Oft stünden den Betroffenen jedoch keine adäquaten Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung.
Maßnahmen gefordert
Rot-grün verleugne die Problematik aber, kritisiert ÖVP-Bildungssprecherin Sabine Schwarz. Deshalb würde sich das Lehrpersonal insbesondere vom Stadtschulrat allein gelassen fühlen. "Es gibt keine Vertrauensbasis mehr."
Die Wiener Türkisen fordern daher (wie auch bereits erfolglos im Gemeinderat) unter anderem "eine verpflichtende Dokumentation von Vorfällen und die Erstellung eines jährlichen Berichts". Denn konkreten Zahlen und Daten gebe es nicht. In einem Antrag im Gemeinderat berief sich die ÖVP im Jänner auf einen Zeitungsbericht, wonach im Vorjahr 1600 Strafanzeigen wegen Gewalt an Wiens Schulen erstattet worden wären. Die Quelle dieser Behauptung ist allerdings unbekannt und die Zahl wird vom Stadtschulrat auch nicht bestätigt.
Außerdem bedürfe es mehr Unterstützung für das Lehrpersonal, heißt es bei der ÖVP - und zwar in Form von "Schulsozialarbeitern und Schulpsychologen für jeden Schulstandort in Wien". Bis dato gebe es lediglich 35 Schulpsychologen und 70 Schulsozialarbeiter, erklärt .
Weiters vermisst die Wiener ÖVP Möglichkeiten, um gegen gewalttätige Schüler "angemessen, aber effizient" vorgehen zu können. Diese würden nach disziplinären Auffälligkeiten oft "nach wenigen Tagen ohne konkrete Konsequenzen wieder in derselben Klasse" sitzen. Die Schulleitung müsse hier die Option haben, "gewalttätige Schüler autonom von der Schule suspendieren zu können". ÖVP Sicherheitssprecher Karl Mahrer plädiert zudem für eine verstärkte Zusammenarbeit der Schulen mit der Landespolizeidirektion in Sachen Gewaltprävention. Schulen mit besonderem Bedarf sollten zusätzliche Programme zur Verfügung gestellt werden, meint er.
"Mehr als zynisch"
„Es ist zu begrüßen, dass die Wiener ÖVP spät aber doch erkannt hat, vor welchen großen Herausforderungen viele Schulen in Wien stehen", reagieren SPÖ-Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky und Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer auf die türkise Kritik. Die geplante Streichung von Sozialarbeitern und mobilen interkulturellen Teams durch die Bundesregierung sei eine Zumutung für Lehrer. „Allerdings eigenen sich gerade die herausfordernden Aufgaben von Schulen nicht für eine unwürdige Polit-Show", so Czernohorszky. "Einen Tag vor der Budgetrede des neuen Finanzministers, der Kürzungen im Bildungsbereich vorsieht, auf Wiener Schulen loszugehen, ist mehr als zynisch.“
Gerade bei der Prävention von Gewalt an Schulen im Ballungsraum sei die Unterstützung von LehrerInnen besonders wichtig. „Es gibt bereits jetzt eine intensive Kooperation mit der Polizei und auch mit allen Schulpartnern, an den meisten Schulen laufen Präventionsprojekte“, betont Himmer. „Mein Ziel ist es, mich mit Lehrern auszutauschen, wie wir sie noch umfassender unterstützen können – dazu wird es in Kürze Gespräche geben. Denn nur wenn wir hören, was die Lehrer wirklich brauchen, können wir gezielt Unterstützung anbieten. Die Streichungsorgie des Bundes zählt sicher nicht dazu!“
Wien habe bis dato aus den Zusatzmitteln des Bildungsministeriums besonders profitiert, so Czernohorszky. “Insgesamt 150 zusätzliche Personen für Sprachförderung, 43 zusätzliche SchulsozialarbeiterInnen, 125 Personen für begleitende integrative Maßnahmen sowie sechs mobile interkulturelle Teams konnten in den Schulen eingesetzt werden. Dieser Einsatz hat sich sehr bewährt, die LehrerInnen haben die Maßnahmen sehr positiv aufgenommen und als wichtige Entlastung empfunden." All diese Maßnahmen stünden im nächsten Jahr auf der Kippe.
Die Zahl von 1600 angezeigten Fällen im Vorjahr kann Himmer zwar nicht bestätigen. In Kürze werde es aber einen Runden Tisch mit Gewerkschaftern und Schulerhaltern geben, um das Thema Datenerfassung aktiv in Angriff zu nehmen. Was die Handhabe für Lehrer betreffe, sei bereits eine Information über die rechtlichen Grundlagen und etwaige Sanktionsmöglichkeiten in Ausarbeitung. Die Kooperation mit der Polizei zur Gewaltprävention würde der Stadtschulratspräsident prinzipiell begrüßen.