Chronik/Wien

"Ich bin hier das Mädchen für alles“

Österreichs erster Kronzeuge Gernot Schieszler (43) poliert eifrig den Van, putzt die Toiletten, verkauft an der Kassa geduldig Tickets für die Abendveranstaltung im Integrationshaus für Behinderte „Die Brücke“ in Graz, steht am Grill und wendet die Koteletts. 120 Sozialstunden musste der Ex-Controlling-Chef der Telekom Austria in der Grazer karitativen Einrichtung ableisten. „Ich bin hier Mädchen für alles und bin mir auch für nichts zu schade,“ erzählt Schieszler.

Die 120 Sozialstunden bewahren ihn vor dem Gefängnis. Ohne der neuen Kronzeugenregelung hätte Schieszler schon mehrmals auf der Anklagebank Platz nehmen müssen, stattdessen packte der Ex-Telekom-Manager im Zeugenstand über den Korruptionssumpf aus.

Die 120 Stunden haben dem Manager einen neuen Zugang zu Menschen mit Behinderung aufgezeigt: „Wenn die ersten Berührungsängste weg sind, dann erkennt man, dass die behinderten Menschen gar nicht wollen, dass man ihnen bei allem hilft.“

Seit 30 Jahren existiert das Grazer Integrationshaus, wo Künstler wie Mercedes Echerer, Wolfgang Ambros oder Boris Bukowski regelmäßig auftreten. „Die Kultur-Events sollen Menschen mit und ohne Behinderung zusammenzubringen, damit die Mauern abgebaut werden“, so Schieszler.

Doch das Geld wird im Grazer Integrationshaus „Die Brücke “ regelmäßig knapp – nicht zuletzt deswegen, weil die öffentliche Hand nicht pünktlich die Rechnungen begleicht. „Die Subventionen der Stadt Graz werden erst immer am Ende des Jahres überwiesen. Im Vorjahr haben wir elf Monate auf 1500 Euro von der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg gewartet,“erzählt Doris Schimpl, Leiterin des Integrationshauses.

Das engagierte Team finanziert vieles im Voraus. So gibt es für die Behinderten Kochkurse, Almausflüge, Sommercamps oder Diskothek-Besuche. „Wir betreuen 35 bis 40 Menschen, davon sind 98 Prozent funktionale Analphabeten. Trotzdem versuchen wir ihnen etwas lehren, etwa wie man mit der Straßenbahn fährt. Wir helfen den Behinderten, indem sie lernen, sich selbst zu helfen“, so Schimpl.

Gernot Schieszler möchte der „Brücke“ auch in Zukunft helfen. „Hier herrscht ein unglaublicher Idealismus, wie ich ihn selten erlebt habe, der gehört unterstützt.“