Gericht gibt grünes Licht für den Lobautunnel
Von Bernhard Ichner
Eigentlich hatte das Verkehrsministerium per Bescheid die Umweltverträglichkeit des S1-Abschnitts von Schwechat nach Süßenbrunn - und damit des Lobautunnels - 2015 bereits bestätigt. Doch nachdem Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen Einspruch gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhoben hatten, musste das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) das umstrittene Projekt der ASFiNAG in den vergangenen Monaten erneut prüfen. Das Ergebnis liegt nun vor: Das Gericht gibt grünes Licht - allerdings unter einigen Bedingungen.
So erteilte der Senat aus drei Richtern dem Projektwerber vor allem in den Bereichen Hydrologie und Grundwasser sowie Schalltechnik (sprich punkto Lärm) Verbesserungsaufträge. Nach deren "vollständiger Erfüllung" sei das Projekt genehmigungsfähig, heißt es vom BVwG. So muss etwa lärmmindernder Waschbeton für alle Fahrbahnen verwendet werden; die Bauarbeiten zwischen Süßenbrunn und Groß-Enzersdorf sind auf die Zeit von 6 bis 19 Uhr an Werktagen zu begrenzen und mittels fix installierter Beregnungsanlagen sind alle Baustraßen bei Trockenheit zu befeuchten. Mit letzterer Maßnahme hat ein "umfassendes Monitoring der Luftgüte" einherzugehen. Zudem muss es mehr Ansprüche auf Schallschutzmaßnahmen (wie Schallschutzfenster) geben.
Gegner wollen vors Höchstgericht gehen
Den Projektgegnern reicht das aber nicht. Sie kündigen weiteren Widerstand an. Da das BVwG eine ordentliche Revision - sprich den Gang vor den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) - zulässt, werde man genau diese Option auch nützen, erklärt Wolfgang Rehm von der Umweltorganisation VIRUS.
Davon abgesehen sei der Weg zur endgültigen Bewilligung des Lobautunnels ohnehin noch lang, erklärt Rehm. Als Nächstes sollen nun insgesamt sieben Materienverfahren, die teilweise noch gar nicht beantragt wurden, folgen. Anträge betreffend Wasserrecht und Naturschutz gebe es nur für den Nordabschnitt der S1, nicht jedoch für den Lobautunnel.
Die Entscheidung des BVwG sieht man bei den Projektgegnern mit gemischten Gefühlen. "Die zehn Beschwerdeführer, die den Fall beim BVwG anhängig gemacht haben, können sich bestätigt sehen, ihre Beschwerden waren erfolgreich, die Unterlagen mussten massiv überarbeitet und eine Projektänderung vorgenommen werden", meint Rehm. "Dass auf die ASFiNAG viele zusätzliche Auflagen zukommen, hat sich abgezeichnet, leider wurde allerdings ihr Antrag trotz jahrelanger Verzögerungstaktik nicht zurückgewiesen." Jetzt gehe die Causa eben in die nächste Verfahrensrunde.
Projektbefürworter hoffen auf Entlastung für Wien und NÖ
Groß ist die Freude dagegen beim Projektwerber. „Bestmöglicher Schutz von Mensch und Umwelt in der Bau- und Betriebsphase der S1 waren die Grundlage für sämtliche Planungen der ASFiNAG. Das bestätigt uns jetzt auch der positive Ausgang des UVP-Verfahrens“, sagt Karin Zipperer, Vorstandsdirektorin der ASFiNAG. Das grüne Licht durch das Gericht sei nun "ein ganz wesentlicher Meilenstein für den letzten noch fehlenden Abschnitt der Umfahrung der Bundeshauptstadt". Die Wiener Außenring Schnellstraße S1 zwischen Schwechat und Süßenbrunn mit dem Lobautunnel entlaste die Tangente, das Marchfeld sowie den 22. Wiener Gemeindebezirk vom Verkehr. Mit dem Bau der Donauquerung als Tunnel verhindere man negative Auswirkungen auf den Nationalpark Donau-Auen, heißt es von der ASFiNAG. Damit sei "größtmöglicher Umwelt- und Anrainerschutz bei gleichzeitig höchstem Verkehrsnutzen gewährleistet".
Mehr als 50 Prozent der Flächen für die S 1 sind bereits eingelöst, noch heuer soll die Grundeinlöse abgeschlossen sein. Auch die Untersuchungen des Baugrunds durch Probebohrungen entlang der gesamten Trasse und in der Donau sind abgeschlossen, aktuell laufen sogenannte „archäologischen Rettungsgrabungen“. 2019 plant die ASFiNAG den Baubeginn des Projekts mit 19 Kilometern Länge und einer Investitionssumme von 1,9 Milliarden Euro.
Begrüßt wird die BVwG-Entscheidung auch von Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ), Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), von der nö. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), vom neuen Wiener SPÖ-Chef Michael Ludwig sowie vom Präsidenten der Wiener Wirtschaftskammer, Walter Ruck.
Die S1 mit dem Lobautunnel bedeute "mehr Lebensqualität für die Menschen in den Gemeinden Raasdorf, Deutsch-Wagram, Strasshof, Gänserndorf oder der Wiener Donaustadt, weil nach der Inbetriebnahme der Strecke dort täglich zehntausende Fahrzeuge weniger unterwegs sein werden", meint Hofer. "Durch die neue S1 können zudem auch die geplante Marchfeld-Schnellstraße S8 und die Seestadt Aspern wirkungsvoll an das Autobahnnetz angebunden werden." Das Projekt bringe "eine deutliche Verbesserung und Entlastung für die Bewohner nördlich der Donau" und sei „von enormer Bedeutung für den Wirtschafts- und Jobstandort Wien“, ist auch Ludwig überzeugt.
Skepsis bei Neos, Ablehnung bei den Grünen
Der Tunnel alleine bringe keine Entlastung für die Bevölkerung von Floridsdorf und der Donaustadt, meint man bei den Wiener Neos. Dafür bedürfe es eines Maßnahmenpakets "mit einem massiven Ausbau des öffentlichen Stadtverkehrs nördlich der Donau, schnell realisierbaren und kostengünstigen lokalen Umfahrungen sowie eine effizientere Nutzung der Süd-Ost-Tangente durch Sonderstreifen“, sagt Verkehrssprecherin Bettina Emmerling. Die Finanzierung des Großprojekts sei zudem weiterhin offen.
Bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben die Wiener Grünen. "Das Projekt ist und bleibt ein Milliardengrab, ein teures Prestigeprojekt und gefährdet den Nationalpark. Mit dem Tunnel werden Milliarden an Steuergeld verschwendet, die besser für den Öffi-Ausbau und Investitionen in die Bahn eingesetzt werden sollten“, meint etwa Wiens grüne Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou.