Flüchtlinge lernen von Anfang an die "Wiener Hausordnung"
Von Elias Natmessnig
Schüchtern sitzen die Flüchtlinge aufgereiht auf Heurigenbänken im Flüchtlingsquartier Ziedlergasse. Draußen scheint die Sonne, drinnen wird es ernst. Nach der Reihe stellen sich die Flüchtlinge vor, erzählen ihre persönliche Geschichte.
Es ist die erste Stunde der Wiener Charta-Gespräche, in denen die afghanischen und iranischen Teilnehmer über die Wiener Werte und Regeln unterrichtet werden – in ihrer Muttersprache Farsi.
Denn ab sofort werden die Flüchtlinge bereits während des Asylverfahren die unverrückbaren Grundlagen des Zusammenlebens erklärt: Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte, insbesondere Frauen- und Kinderrechte. Aber auch den Respekt gegenüber anderen Kulturen und Religionen.
Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) stellte die Charta persönlich im Asylzentrum Ziedlergasse vor: "Wir wollen den Flüchtlingen unsere Werte des Zusammenlebens von Anfang an mitgeben", betont sie.
Freiheit
Ramesh Badami, musste einst selbst flüchten, nun sitzt sie als Moderatorin vor den Flüchtlingen. "Es gibt hier viel mehr Freiheiten als im Iran oder Afghanistan, die muss man aber erst verstehen."Badami erzählt, wie sie damals nach Österreich kam: "Ich habe damals alles angenommen, was mir angeboten wurde", sagt sie und legt das auch ihren "Schülern" nahe. "Wien ist eine kunterbunte Stadt, in der es um Respekt und Toleranz geht auch vor anderen Religionen." Das sieht auch Frauenberger so. " Jeder Mensch, der zu uns kommt, steht vor einem Neuanfang. Da ist es wichtig, dass die Leute offen sind für den Wiener Integrationsweg – sie brauchen aber auch Unterstützung." Daher sei es so wichtig, vom ersten Tag an anzufangen.
Koordiniert werden die Chartagespräche von Stefan Almer von der MA 17: "Im Unterschied zu den fünf Infomodulen, wo zusätzlich wichtige Themen wie Wohnen und Gesundheitsversorgung erklärt werden, sind die Gespräche kein Frontalvortrag. Man redet in Gruppe auf Augenhöhe miteinander."
Bei den Asylwerbern kommt der Charta-Kurs jedenfalls gut an. "Es war hochinteressant und wichtig, dass man weiß, wie man hier lebt", sagt Davood Saharkhiz. Der 31-Jährige ist mit seiner Frau aus dem Iran nach Wien gekommen und nun in der Ziedlergasse untergebracht. Das Gespräch mit ihm wurde von einer Dolmetscherin übersetzt.
Man habe schon einige Dinge über Österreich gewusst, anderes nicht. Ein banales Beispiel: "Im Iran helfen wir direkt, etwa wenn jemand einen schweren Koffer zu tragen hat. Hier in Österreich sollte man den Besitzer aber vorher fragen, ob er Hilfe braucht, bevor man zur Tat schreitet. Sonst glaubt er, dass man ihren Koffer stehlen will." Auch die Tatsache, dass man in Wien in den Öffis seinen Sitzplatz bei Bedarf anderen Menschen überlässt, war Saharkhiz neu. "Im Iran ist der Verkehr doch ganz anders."