Chronik/Wien

Justiz ließ Folterpolizisten laufen

Ich weiß auch, dass sie extrem schnell blaue Flecken bekommt.“ Jürgen H. betont das in seiner Einvernahme. Es geht um jene Hämatome, die er seiner Ex-Freundin Carina Peters*, 37, am Hals, am Knie, im inneren Oberschenkel am 22. Mai des Vorjahres zugefügt hat.

Carina Peters sagt, er habe sie vergewaltigt. Er sagt, der Sex sei wie üblich heftig, aber einvernehmlich gewesen. Wie so oft bei Vergewaltigungen steht Aussage gegen Aussage. Oft bringen Gutachter das entscheidende Indiz bei. So weit ist es im vorliegenden Fall nicht gekommen.

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Wie der Falter heute berichtet, wurde das Verfahren von einer Wiener Staatsanwältin eingestellt. Sie recherchierte nur oberflächlich das Vorleben des Verdächtigen, verzichtete auf ein medizinisches Gutachten und eine Klärung vor Gericht.

Jürgen H. erfährt damit zum wiederholten Mal Milde von der Justiz. Er ist einer jener WEGA-Beamten, die 2006 den gambischen Schubhäftling Bakary J. folterten. Angeklagt wegen „Quälens eines Gefangenen“, fasste er acht Monate bedingte Haft aus. Im Hintergrund hatte zwischen Justiz und Verteidigung ein Kuhhandel stattgefunden. Damals hätte die Anklage auf Mordversuch lauten müssen, sagen Kritiker. Diesmal gibt es gar keine.

"Unbescholten"

Zwei Disziplinarkommissionen erlaubten ihm, im Dienst zu bleiben. Später wurde er frühpensioniert, viel später doch entlassen. Zwischendurch hielt H. Selbstverteidigungskurse ab, lernte dabei Peters kennen. Seine Vorstrafe streifte er ab: Er nahm sich einen neuen Namen, bekam damit einen unbelasteten Strafregisterauszug. Die Behörde fragte nie mit seiner alten Identität die Datei ab. „Unbescholten“, steht in der Einvernahme.

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Carina Peters wusste bald, dass sie „in dieser Beziehung nicht leben kann“, zog aus, schaffte es aber nicht, völlig von ihm loszukommen. Am 21. Mai saßen die beiden beim Griechen. H. war zornig. Soeben hatte er eine SMS seiner Ex-Frau auf Peters i-Phone entdeckt. Die Frauen hatten sich angefreundet, sich über H. ausgetauscht. Hintergrund: Auch seine Ex-Frau hatte ihn wegen Gewalteskapaden angezeigt. Er soll sie eine Nacht weggesperrt und mit nassen Socken geschlagen haben, gab sie einst an. Für eine Anklage reichte dies der Justiz damals nicht.

Der Streit beim Griechen eskalierte, sie gingen getrennte Wege. Später stand der bullige Kampfsportler vor Peters Tür. Sie öffnete. „Er schob mich … ins Schlafzimmer (...) Er nahm mich in den Würgegriff … Ich merkte, dass mir schon schwindelig wurde.“ Peters schrieb eine SMS an H.s „Ex“: „Ruf die Polizei!“ Deren Handy war allerdings abgedreht.

Sprung in den Hof

Die 37-Jährige sagt, sie konnte sich nicht wehren. Nach dem Übergriff sperrte sich H. mit ihrem Handy im Klo ein. Peters nutzte den Moment, verschloss die Wohnung und flüchtete in Unterwäsche zur Polizei. H. türmte einstweilen: Er sprang aus dem ersten Stock in den Hof, gab später in einer Polizeiinspektion ihr Handy ab. H. sagt, alles sei freiwillig gewesen. Er zeigte eine SMS vom Vortag vor: „Bestraf’ mich!“, stand darin. Schon immer habe man es „im Bett etwas härter gemacht“, Sado-Maso-Spiele (SM) praktiziert.

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Als die Justiz noch eine Männerdomäne war, wurden solche Fälle vom Tisch gewischt. Diesmal erledigte das eine Staatsanwältin. Aus der Einstellungsbegründung: Beide hätten SM-Spiele praktiziert. Es sei zu „üblichen Gewalthandlungen“ gekommen. Deshalb konnte für H. „nicht ersichtlich sein …, dass allfällige Gegenwehrhandlungen ernst gemeint waren“. Die Staatsanwältin war gestern nicht erreichbar.

Peters Anwalt, Robert Lattermann, kann dies „weder rechtlich noch menschlich verstehen“. Die Verletzungen, der Sprung aus dem ersten Stock, die SMS – nichts sei gewürdigt worden. Er beantragte die Fortsetzung des Verfahrens.

(*Namen geändert)