Experten warnten vor Gefahr
Der Fall des aufgespießten Bauarbeiters Hakir Avdic erfährt eine neue Wendung. Wie dem KURIER vorliegende Dokumente belegen, hat das Arbeitsinspektorat bereits Monate vor dem schweren Unfall auf eklatante Sicherheitsmängel bei der Unglücksbaustelle hingewiesen.
Wie berichtet, war der mittlerweile 58-jährige Avdic am 29. August 2013 mit Stemmarbeiten beim Neubau des Krankenhauses Wien-Nord beschäftigt. "Mit einem Bohrhammer habe ich Steckeisen in drei bis vier Metern Höhe freigelegt", erklärte der gebürtige Bosnier im KURIER-Interview.
Dann kam es zum folgenschweren Unfall. Avdic stürzte ab und landete auf den mehr als einen Meter aus dem Boden ragenden Bewehrungseisen. Avdic: "Ein Eisen hat sich bei mir in der linken Seite, oberhalb der Hüfte hineingebohrt und ist bei der anderen Hüfte wieder raus."
Er wurde notoperiert und überlebte nur, weil die Stange, die ihn gepfählt hatte, keines seiner inneren Organe verletzt hatte. Einige Wochen später wurde der Arbeiter, als er auf einen Platz in einer Reha-Klinik wartete, von seiner Firma, einem Bauunternehmen aus Niederösterreich, gekündigt. Avdic ist seit dem Unfall 20-prozentiger Invalide. Weder sein Arbeitgeber noch der Generalunternehmer des Spitalsbaus wollen bisher die Verantwortung für den Unfall übernehmen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung.
Schwere Mängel
Dem KURIER wurden jetzt Schreiben des Arbeitsinspektorats zugespielt. Eines stammt aus dem Mai 2013, das zweite ist erst jüngst bei der Staatsanwaltschaft eingelangt. Daraus geht hervor, dass die Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle bereits im Mai 2013 in 14 Punkten von den Kontrolloren bemängelt wurden. Darunter auch jene Zustände, die Monate später zu dem schweren Unfall geführt haben. So seien Bewehrungsstäbe in geeignetem Maße zu sichern (siehe Faksimile) gewesen.
In der jüngsten Stellungnahme (Geschäftszahl 030-292/6-51/2013) geht das Arbeitsinspektorat noch weiter. Die Verantwortung des Generalunternehmers, es sei ohnehin eine Schaltafel zur Abdeckung vorhanden gewesen, lässt man nicht gelten. Bei Betrachtung der Fotos vom Unfallort sei dem Arbeitsinspektor aufgefallen, "dass die Bewehrungsstäbe verschiedene Längen haben, ein stabiles und wirksames (und sinnvolles) Abdecken mit einer einzelnen Schaltafel ist daher gar nicht möglich, ein bloßes ,Drauflegen‘ ist nicht ausreichend."
Zudem widerspreche das ungesicherte Arbeiten mit einem Bohrhammer auf einer Leiter der Arbeitsmittelverordnung. Laut Bauarbeiterschutzverordnung sei ein Gerüst für Avdics Arbeiten erforderlich gewesen. Weder geeignete Abdeckung noch Gerüst waren laut Experten vorhanden. Das Unglück nahm seinen Lauf.
Avdic’ Anwalt Johannes Öhlböck hat sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter angeschlossen. Er will zudem feststellen lassen, wer für die Verletzungen und die Folgen verantwortlich ist, und will für seinen Mandanten etwaige Schmerzensgeld-Forderungen einbringen. Für Öhlböck steht fest, "dass der konkrete Unfall bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt hätte vermieden werden können."
Seitens des Generalunternehmers verweist man auf die Tatsache, dass der Verunfallte Mitarbeiter eines Subunternehmers war. Zudem meint man, dass es "aus Sicht des Arbeitsinspektorats keinen Mangel gab, der zum Unfall geführt hat."