Chronik/Wien

Wegweisendes EuGH-Urteil: Syrer (18) darf Familie nach Wien holen

Die Familie hatte lange gekämpft, bald wird sie wieder zusammenleben dürfen. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das am Dienstag veröffentlicht wurde, gesteht einem jungen syrischen Flüchtling in Österreich zu, seine Familie in Wien wieder zusammenzuführen. Wegen den besonderen familiären Umständen betrifft das nicht nur seine Eltern, sondern auch seine schwer kranke Schwester. Ein Urteil, das für künftige Gerichtsentscheidungen in Europa wegweisend sein könnte.

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Zunächst zur Ausgangslage: Nachdem ein junger Syrer in Österreich vor Jahren seinen Flüchtlingsstatus bekommen hatte, stellten seine Eltern von Syrien aus in Wien einen Antrag auf Familienzusammenführung. Laut europäischem Recht steht das jedem unbegleiteten, minderjährigem Flüchtling zu. Doch die österreichischen Behörden lehnten den Antrag ab - weil der junge Mann noch während der Bearbeitungszeit volljährig geworden war. 

Dem widersprach der Europäische Gerichtshof in Luxemburg, bei dem die Familie Berufung eingelegt hatte, nun eindeutig. Das Urteil vom Dienstag beinhaltet gleich drei möglicherweise wegweisende Entscheidungen:

  • Für viele weitere Anträge künftig entscheidend: Das Urteil besagt, "dass ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, der während des Verfahrens auf Familienzusammenführung mit seinen Eltern volljährig wird, das Recht auf eine solche Familienzusammenführung hat. Dieses Recht darf nämlich nicht von der mehr oder weniger schnellen Bearbeitung des Antrags abhängen." Eine Entscheidung, die sich länderübergreifend auf viele weitere Familienzusammenführungen in Europa auswirken dürfte.
     
  • Zweitens, und das ist ein Sonderfall für die betroffene Familie: Neben den Eltern darf auch die volljährige, schwer kranke Schwester des Syrers mit ihnen nach Wien kommen. Die brauche nämlich dauerhafte Pflege, es wäre den Eltern also nicht möglich, sie alleine in Syrien zu lassen - womit dem Sohn sein Recht auf Familienzusammenführung de facto nicht gewährt werden könnte. Im Urteil heißt es: "Ein solches Ergebnis wäre aber mit dem unbedingten Charakter dieses Rechts unvereinbar und würde dessen praktische Wirksamkeit infrage stellen."
  • Zuletzt eine weitere Entscheidung mit Gewicht: Laut EuGH darf von einem minderjährigem Flüchtling - als der er solange zählt, wie der Antrag bearbeitet wird - nicht verlangt werden, "dass sie für sich und für die schwer kranke Schwester über ausreichend großen Wohnraum, eine Krankenversicherung sowie hinreichende Einkünfte verfügen. Es ist nämlich nahezu unmöglich, dass ein minderjähriger unbegleiteter Flüchtling diese Voraussetzungen erfüllt. Ebenso ist es für die Eltern eines solchen Minderjährigen äußerst schwierig, diese Voraussetzungen zu erfüllen, bevor sie zu ihrem Kind gezogen sind."

Das Urteil ist rechtskräftig, eine Reaktion aus Österreich steht noch aus.