Chronik/Wien

Es gibt ihn noch, den Wiener Jugendstil

Neuentdeckung im Wiener Seidenviertel: Oft und vor allem achtlos ist man an dem finsteren Kellerlokal in der Schottenfeldgasse vorbeigezogen. Dass dort unten alte Einrichtungsgegenstände wieder so aufgemöbelt werden, dass sie beim Weiterverkauf hohe Preise erzielen, wissen nur wenige.

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„Wir restaurieren Möbel, Lampen und Schmuck“, erklärt Eberhard Emberger, Geschäftsführer der Firma Vertiko. „Vor allem Historismus, Jugendstil und Art déco.“ Er selbst ist ein Experte im Aufstöbern von schönen, aber in Mitleidenschaft gezogenen Teilen. Seine fünf Mitarbeiter sind Meister beim Reparieren und Restaurieren. Die veredelten Stücke werden nach guter alter Tradition zum Teil unter der gemeinsamen Dachmarke der Österreichischen Werkstätten zum Kauf angeboten.
So wie in der Monarchie ist damit internationale Aufmerksamkeit und Wertschätzung garantiert. Emberger: „Wir konnten schon Sofas nach Catania, Schweden und Neuseeland verkaufen.“ So wie in der Monarchie haben einige seiner Mitarbeiter alt-österreichischen Migrationshintergrund.
Unter einem Dach„Wir folgen noch immer der ursprünglichen Idee der Wiener Werkstätten“, sagt Thomas Bernd, Geschäftsführer der Österreichischen Werkstätten.
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Die wurden im Jahr 1903 vom Designer Josef Hoffmann, dem Maler Koloman Moser und dem Industriellen und Kunstmäzen Fritz Wärndorfer gegründet. Damals wie heute sollen kleine Werkstätten und talentierte Künstler unterstützt bzw. vermarktet werden. Einer von heute rund 200 Lieferanten ist die Wiener Firma J. und J. Lobmeyr, die bereits seit dem Jahr 1823 mit der kunstfertigen Gestaltung von Glas und Licht beschäftigt ist.
Von 1968 bis 1993 war Peter Rath ihr Geschäftsführer. Er erinnert sich, dass man noch bis zum ersten Golfkrieg Luster für die Moschee in Medina geliefert hat. Und er erzählt von der nordböhmische Region rund um den Ort Steinschönau: „Das ist dort die letzte noch komplett ausgestattete Glasregion.“


Dior und Grüne ErdeWo man einst gut verdient hat, herrscht auch heute geschäftiges Treiben. Bis nach Japan kennt und schätzt man die Vasen mit Jugendstilmotiven, nach Originalentwürfen von Josef Hoffmann.
Neben Christian Dior und der alternativen Handelskette Grüne Erde lassen die Österreichischen Werkstätten, die nach dem Zweiten Weltkrieg umbenannt wurden, hier produzieren. Die hohe Qualität der Verarbeitung ist heute noch immer so gefragt wie nach der Jahrhundertwende.