Erst Säure im Aug, dann den Daumen abgehackt
Es ist eine Geschichte mit vielen Aspekten. Auf der einen Seite eine Frau, die mit Säure am linken Auge verletzt wird. Und die nur drei Wochen später „eines Daumens verlustig“ wird, wie es Rechtsanwalt Christian Werner ausdrückt. Eine Frau, die sich zwar keine Wohnung leisten kann – auf deren Namen aber gleichzeitig mehrere Versicherungen zu ihren Gunsten laufen.
Auf der anderen Seite eine Angeklagte, die freimütig zugibt, gefälschte Geldscheine unter die Leute gebracht zu haben – aber vehement abstreitet, die Täterin der Säure-Attacke gewesen zu sein.
Blüten aus dem Ottakringer Kaffeehaus
Im Landesgericht für Strafsachen in Wien sitzen am Donnerstag insgesamt drei Angeklagte (vertreten von Nikolaus Rast und Philipp Wolm) vor dem Richter. Sie sind miteinander verwandt. Allen dreien wird Geldfälschung vorgeworfen. Dazu sind sie geständig. Drei gefälschte 500-Euro-Scheine wollten sie auf einer Autobahn-Tankstelle verkaufen – ausgerechnet an einen V-Mann der hessischen Polizei. Woher sie die Blüten hatten? „Ich habe einen Schein um 100 Euro in einem Lokal in Ottakring gekauft“, erzählt die angeklagte Frau. Es sei ein Freundschaftsdienst gewesen den sie „zutiefst bereut. Tut mir leid. Das mache ich nie wieder“.
Doch der zweite Vorwurf gegen die Frau wiegt viel schwerer: absichtliche schwere Körperverletzung. Laut Anklage soll sie gemeinsam mit einem Mittäter eine andere Frau gezwungen haben, sich im Badezimmer auf den Boden zu legen. Als sie nicht wollte, habe man die Frau an den Haaren zu Boden gezogen. Dann soll ihr gewaltsam ein Auge geöffnet und mit einer Spritze Salzsäure eingetropft worden sein. Die Frau erlitt eine Verätzung. Im Krankenhaus hieß es, sie habe irrtümlich Putzmittel ins Auge bekommen.
Versorgt
„Damit habe ich nichts zu tun“, erklärt die Angeklagte. Ganz im Gegenteil. Sie habe der Frau geholfen. Und das kam so: Die Frau wohnte mit ihrem Partner gratis in der Wohnung der Angeklagten. Der Partner rief die Angeklagte aufgeregt an, dass es einen Unfall gegeben hätte und sie kommen müsse. „Als ich in die Wohnung kam, lag sie noch am Boden. Ich habe dann die Rettung verständigt, bin mit ihr ins Krankenhaus gefahren und habe dann von der Apotheke Medikamente für sie geholt.“
Die Vorwürfe seien erlogen. „Welches Motiv hätte das Opfer?“, fragt der Richter. „Vielleicht wollte sie sich rächen, weil ich sie aus der Wohnung geschmissen habe.“
Oder, diese Variante präsentiert Anwalt Werner, es könnte sich auch um Versicherungsbetrug gehandelt haben. „Erst das verätzte Auge, dann der Daumen, der angeblich beim Hacken von Fleisch abgeschnitten wurde....“
Nach der Befragung des Säureopfers entscheidet der Richter: Die Verdächtige wird enthaftet, es liegt kein dringender Tatverdacht mehr vor. Allerdings: Eine weitere Zeugin wird geladen. Der Prozess wird am 15. Jänner 2021 fortgesetzt.