Chronik/Wien

Einzige Sozialpädagogin „flüchtete“ aus Jugendhaft

Es ist nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin: In der Justizanstalt Wien-Josefstadt wird – wie von Justizminister Wolfgang Brandstetter im KURIER-Interview angekündigt – ein Sozialpädagoge engagiert. Ein „halber“, um genau zu sein, für 20 Wochenstunden. Mit einer Vollzeit-Betreuerin in der Justizanstalt für Jugendliche in Gerasdorf, NÖ, verfügt der Strafvollzug für etwa 110 jugendliche Häftlinge in ganz Österreich damit über „eineinhalb“ Sozialpädagogen.

Das ist Geschichte. Denn die Diplomsozialpädagogin in Gerasdorf hat soeben gekündigt. Sie fühlte sich vom Vorsitzenden der Justizwachegewerkschaft, Albin Simma (FCG), gemobbt. In einer Presseaussendung (und auf Facebook) wetterte er über „Freunderlwirtschaft“: Sie sei von der Justiz beschäftigt worden, bevor sie überhaupt mit der (dreijährigen, Anm.) Ausbildung begonnen habe.

Das ist KURIER-Recherchen nach nicht korrekt. Die 51-Jährige war 20 Jahre lang Justizwachebeamtin im Frauengefängnis Schwarzau, NÖ. Dann sattelte sie auf Sozialpädagogin um und begann gegen Ende der Ausbildung in Gerasdorf mit der Betreuungsarbeit.

Was Albin Simma noch anprangert, ist die externe Beschäftigung des Sohnes der Sozialpädagogin in Gerasdorf: Er hat ebenfalls eine entsprechende Ausbildung in Erlebnispädagogik und führt einen Kletterkurs mit Insassen durch. Es geht dabei weniger um Kletterkünste als mehr um das Erlernen von Teambildung. Die Vollzugsdirektion hat Angebote geprüft und, wie es heißt, kein günstigeres gefunden.

Ordentlich

Die Justizwachegewerkschaft hält die „Überbetreuung“ für Geldverschwendung. Laut Albin Simma geht es darum, den jugendlichen Straftätern „ordentlichen Lebenswandel beizubringen“, und das würden ohnehin die Beamten übernehmen. Strafvollzugsexperten sehen das anders: Das Spektrum der Sozialpädagogin in Gerasdorf reicht(e) von Mathe-Nachhilfe über Basics wie Motivation zur Körperpflege bis zum Benimmtraining in einem Lokal bei Gruppenausgängen. Aber wer wird bei dem Gegenwind noch im Gefängnis anheuern wollen?

KURIER: Warum haben Sie die einzige Sozialpädagogin in Gerasdorf vertrieben?

Albin Simma: Das hat mit mir nichts zu tun. Sie ist nicht mehr dienstfähig. Aber wir waren von Anfang an dagegen, dass sie angestellt wird, obwohl sie die Ausbildung noch gar nicht hatte.

Warum wehren Sie sich gegen Betreuungsmodelle?

Wir sind nicht gegen Betreuung, aber gegen das unkontrollierte Ankaufen von externem Personal. Unsere Beamten machen sehr gute Arbeit bei der Betreuung.

Aber können Sozialpädagogen nicht mehr tun, haben die nicht andere Methoden?

2013 gab es in Gerasdorf 150 Gruppenausgänge, was brauchen wir denn noch? Und wozu brauchen wir in der Josefstadt Deutschkurse für ausländische U-Häftlinge? Die werden ohnehin nach dem Prozess abgeschoben.