Chronik/Wien

Ein digitales Fest für Senioren und Nummern gegen Einsamkeit

Vor drei Wochen hat Jürgen Greger das erste Mal mit der 82-jährigen Frau telefoniert. Sie lebt allein in einer Wohnung im 23. Bezirk, hat keine Verwandten oder Bekannten und ihre Wohnung seit März so gut wie nie verlassen. Sie fürchtet sich vor einer Ansteckung. Aber jetzt könne sie langsam nicht mehr.

Fast eine Stunde hat Greger mit ihr telefoniert; so lange, bis er gemerkt hat, dass es ihr etwas besser ging.

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Greger leitet die Hotline der Wiener Pensionistenklubs. Bis zum Frühling war er hauptsächlich Ansprechpartner für Fragen zu den Angeboten der Klubs, zu Events oder Terminen. Seit März sind er und sein Team immer mehr Anlaufstelle für ältere Menschen, die mit der Einsamkeit nicht länger zurechtkommen.

Fast jeder zweite Wiener lebt alleine

404.300 Personen leben in Wien allein. Fast jede Dritte von ihnen ist über 65 Jahre alt. Kontakthalten in Zeiten von Corona ist für sie oft besonders schwierig. Veranstaltungen und Gasthausbesuche fallen durch die Pandemie weg, Familie und Freunde sind weniger geworden; das Smartphone oder der Computer zum virtuellen Kontakthalten fehlen oft.

Hotline zum Plaudern

Mit Einsamkeit von Senioren hat sich Petra Fasching schon vor Corona intensiv beschäftigt. Als Mitarbeiterin des Innovationsteams der Caritas hat sie seit geraumer Zeit an einer neuen Hotline gearbeitet.

Eigentlich hätte das Projekt im Herbst ausgerollt werden sollen. Doch dann kam der erste Lockdown und damit sofort der akute Bedarf.

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Ohne das Netz an Freiwillige also richtig ausgebaut oder die Technik komplett ausgetüftelt zu haben, startete sie mit ihrer Kollegin Dunja Sporrer im April das „Plaudernetz“. Wem die Decke daheim auf den Kopf fällt, der kann hier einfach anrufen und sich Sorgen von der Seele sprechen.

Die erste Bilanz nach einem halben Jahr: 3.000 Freiwillige engagieren sich als Gesprächspartner, 8.000 Anrufe sind insgesamt über die Plattform getätigt worden.

Aktuell steigt der Bedarf; das bevorstehende Weihnachtsfest allein verbringen zu müssen, belastet. Die Freiwilligen des „Plaudernetzes“ sind also auch an den Feiertagen von 12 bis 20 Uhr erreichbar. Auch Jürgen Greger von den Pensionistenklubs hat für die Festtage aufgestockt: Zu viert werden sie Anrufe an der Hotline von 10 bis 18 Uhr entgegennehmen.

Weihnachten im Netz

Das traditionelle weihnachtliche Beisammensein in den Wiener Pensionistenwohnheimen kann heuer natürlich auch nicht stattfinden.

Wer über ein Smartphone oder einen Laptop verfügt, kann aber am virtuellen Fest teilnehmen: Über die Video-Plattform Zoom werden ab 10 Uhr Online-Kurse angeboten – etwa Weihnachtsyoga, gemeinsames Singen oder Line Dance.

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Und um 15 Uhr wird auf der Homepage der Pensionisten-Wohnhäuser eine Weihnachtsshow mit Alfons Haider gezeigt.

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Organisiert wird das Online-Angebot von Gertrude Siebenhandl. 20 bis 25 Anmeldungen gebe es für die verschiedenen Kurse bereits.

„Es wird immer besser angenommen“, sagt sie. Die jüngeren Senioren werden smartphone-affiner und auch bei den Älteren steige das Interesse. „Wir bieten immer wieder Tablet-Schulungen an, es gab auch schon Kooperationen mit Schülern des TGM.“

Von Mensch zu Mensch

Wem der telefonische oder digitale Kontakt nicht reicht, für den haben die Pensionistenklubs die Aktion „Von Mensch zu Mensch“ ins Leben gerufen. Unter Einhaltung der Covid-Regeln können Treffen, etwa ein Spaziergang, ausgemacht werden.

Auch der 82-jährigen Wienerin hat Jürgen Greger von der Aktion erzählt. Noch traut sie sich das nicht. Aber das Telefonieren helfe ihr. Mittlerweile meldet sie sich einmal die Woche bei ihm.

Wiener Pensionistenklubs

Die Hotline der Pensionistenklubs ist auch am 24. und 25. Dezember von 10 bis 18 Uhr besetzt: 01 313 99-170112.  Die Weihnachtsfeier der Klubs kann man online mitverfolgen. Ab 10 Uhr werden  auf Zoom Kurse (z. B. Weihnachtsyoga) angeboten. Die Weihnachtsshow mit Alfons Haider  findet von 15 bis 16 Uhr statt. Info: pensionistenklubs.at

Plaudernetz

Für alle, die niemanden zum Plaudern haben: Beim Plaudernetz der Caritas kann man 
täglich von 12 bis 20 Uhr kostenlos und anonym anrufen: 05 1776 100. Details unter plaudernetz.at

Seelsorge-Hotlines

Die österreichische Telefon-Seelsorge ist jederzeit unter der Notrufnummer 142 zu erreichen.

Bei psychosozialen Belastungen steht die Corona-Sorgenhotline in Wien von 8 bis 20 Uhr zur Verfügung: 01 4000 53000