Chronik/Wien

Ein Bezirk im Dauerwahlkampf

Herbert Spaner hat seine Wahl schon getroffen: "Am 18. September wähle ich die SPÖ. Ich habe eine gute Meinung von Bezirksvorsteher Hora. Am 2. Oktober dann den Hofer, weil mir der Van der Bellen etwas komisch vorkommt", erzählt der Pensionist, der es sich an diesem schwülen Sommernachmittag auf einer Parkbank beim Praterstern gemütlich gemacht hat.

Wie Herr Spaner haben zigtausende Leopoldstädter das zweifelhafte Privileg, in diesem Herbst gleich zwei Mal ungeplant zu den Wahlurnen gerufen zu werden. Noch vor der Neuaustragung der Bundespräsidenten-Stichwahl muss in der Leopoldstadt auch die Bezirksvertretungswahl wiederholt werden. Wegen Unregelmäßigkeiten bei den Wahlkarten hat die FPÖ – sie lag nur 21 Stimmen hinter den Grünen auf Platz drei – die Wahl vom Herbst 2015 erfolgreich angefochten.

Beobachter befürchten bereits, dass Wahlbeteiligung in den Keller rasseln wird, weil viele Leopoldstädter ob dieses Stakkatos an Urnengängen genervt zu Hause bleiben könnten. "Diese Gefahr besteht vor allem bei der Bezirksvertretungswahl, weil sie nicht wie üblich gemeinsam mit der in den Augen vieler Wähler viel bedeutsameren Landtagswahl statt findet", sagt der Politikberater Thomas Hofer.

Wahlrecht

Für Herrn Spaner ist das Schwänzen, der beiden Wahlen jedenfalls keine Option: "Es ist schließlich mein Recht, wählen zu gehen. Auch wenn es mich ärgert, wie viel diese beiden Wiederholungen uns Steuerzahlern kosten werden." Ähnlich auch eine Besucherin in einem nahen Kaffeehaus: "Wenn es nötig ist, gehe ich auch zehn Mal wählen. Schließlich haben unsere Großväter das Wahlrecht erkämpfen müssen."

Schauplatzwechsel: Der Karmelitermarkt gilt als schickes, urbanes Vorzeigegrätzel des 2. Bezirks. Auch hier ist hat sich noch keine Wahlmüdigkeit eingestellt: "Ich halte es für meine Verpflichtung hinzugehen. Was ist schon dabei, an diesen beiden Sonntagen einen zehnminütigen Umweg zum Wahllokal zu machen", sagt Frank Michael Weber, der sich mit seiner Tochter Judith in einem Café getroffen hat. Sie hat auch kein grundsätzliches Problem mit den beiden Wahlwiederholungen: "Es ist schon wichtig, dass alles seine Richtigkeit hat. Da spielt es auch keine Rolle, von wem die Wahlanfechtung ausgegangen ist."

Kasperltheater

Von einem "Kasperltheater" spricht hingegen Hakan Özkara. "Weil die FPÖ verloren hat, wollte sie eine neue Chance haben." Er selbst will trotzdem wählen gehen, glaubt aber, dass viele andere Leopoldstädter daheim bleiben werden.

In Sachen Wählermobilisierung dürfen sich die Parteien jedenfalls nicht zurücklehnen, warnt Polit-Berater Hofer. Dies gelte vor allem für die SPÖ. "Es besteht die Gefahr, dass sich auf Bezirksebene alles aus das Duell zwischen Grüne und FPÖ zuspitzt."

Daher könnten viele Leihstimmen am 18. September von der SPÖ zu den Grünen wandern. Andere bisherige SPÖ-Wähler könnten erst gar nicht zur Wahl gehen, weil sie glauben, diese Wahl betreffe sie ohnehin nicht. Hofer: "Daher muss die SPÖ ihrer Klientel klar machen, dass es sehr wohl auch um den ersten Platz im Bezirk geht."

Bundespräsidentenwahl

Für die Neuaustragung der Stichwahl sind rund 60.000 Leopoldstädter wahlberechtigt. Am 22. Mai wählten im 2. Bezirk 71 % Alexander Van der Bellen und 29 % Norbert Hofer. Die Wahlbeteiligung lag bei 69,1%.

Bezirksvertretungswahl

Hier sind knapp 72.000 Bezirksbewohner wahlberechtigt. Bei der Wahl im Oktober 2015 lag die SPÖ mit 38,64% klar voran. Kopf an Kopf dahinter die Grünen (22,15%) und die FPÖ (22,10%). In absoluten Zahlen betrug der Unterschied 21 nur Stimmen. Wer zweiter wird, hat Anspruch auf den Posten eines stv. Bezirksvorstehers. Die Wahlbeteiligung lag im Oktober 2015 bei 64,7%.