Die teure Sucht der Tiersammler
Von Bernhard Ichner
Die vier Katzen im Tierschutzhaus Vösendorf zittern vor Angst und verstecken sich, sobald sich ihnen ein Mensch nähert. Dass sie traumatisiert sind, ist nicht zu übersehen. Individuelle Zuwendung dürften sie nie erfahren haben – denn ihre bisherige Besitzerin war eine zwanghafte Tier-Sammlerin. „Animal-Hoarding“ ist der Fachbegriff für das Problem, das oft erst im Fall von Delogierungen aufgedeckt wird.
548 Tiere in drei Jahren
Die Frau ist kein Einzelfall. Von 2011 bis 2013 waren allein in Wien 548 Tiere von 130 Delogierungen betroffen. 186 Hunde, 171 Katzen und 191 Kleintiere – vom Hamster bis zur Vogelspinne. Der Wiener Tierschutzverein (TSV) hat für die meisten davon neue Besitzer gefunden.
„Animal-Hoarder sind oft Leute, die mit ihrem eigenen Leben nicht zurechtkommen“, erklärt TSV-Präsidentin Madeleine Petrovic. „Sie sind mit der Haltung der Tiere überfordert. Meist mangelt es an Nahrung, Hygiene oder tierärztlicher Versorgung.“
Im Tierschutzhaus werden die Tiere wieder aufgepäppelt. „Wegen der schlechten Haltung sind sie oft krank, ungepflegt oder unterernährt“, berichtet Petrovic. Aber nicht nur das mache sie besonders Pflege-intensiv. „Gerade Katzen sind auch Antennen für menschliche Gefühle. Und da Delogierungen persönliche Dramen, wie zum Beispiel heftige Streitereien, vorausgehen, haben diese Tiere oft das Vertrauen zum Menschen verloren.“
Unvermittelbar seien sie aber nicht. „Sie sind bloß am Anfang extrem scheu. Wenn solche Katzen dann aber auftauen, sind sie auf den neuen Besitzer geradezu fixiert.“
Dass sich nicht jeder von Delogierung betroffene über die neue Chance für seine Tiere freut, zeigt ein skurriler Rechtsstreit, mit dem sich der TSV aktuell konfrontiert sieht: Eine Frau, die bereits mehrfach delogiert wurde und jedes Mal mit etwa 20 Katzen auf der Straße stand, hat den Verein nun (mit Verfahrenshilfe) auf Wiederherausgabe der Tiere geklagt. Und in erster Instanz sogar recht bekommen.
Es gab nämlich keinen schriftlichen Vertrag, der die Eigentumsverhältnisse eindeutig geklärt hätte. Der TSV legte gegen die Entscheidung bereits Berufung ein.
„Als die Frau das letzte Mal ihre Wohnung verlor, haben wir 15 Katzen bei uns untergebracht. Die ärztlichen Eingriffe, die wegen vereiterter Kiefer nötig waren, die Pflege, das Futter und die Unterbringung haben (bei 8 Euro Pensionskosten pro Tag; Anm.) bis dato 40.000 Euro gekostet“, schildert Petrovic – die nicht daran denkt, die Tiere zurückzugeben, sondern stattdessen neue Besitzer sucht. Für 11 der 15 Katzen wurden bereits welche gefunden. Bloß die vier eingangs erwähnten Stubentiger konnten noch nicht vermittelt werden.
„Falls wir den Rechtsstreit in letzter Instanz verlieren sollten, müssten wir der Frau halt elf Katzen ersetzen“, sagt Petrovic. „Aber das würd’ uns nicht umbringen.“