"Die Ärzte bekommen zu hören, dass sie ab 13 Uhr schlafen"
Von Josef Gebhard
Der Friede in Wiens Krankenhäusern nach dem Streit um das neue Arbeitszeitgesetz währte nur kurz. Zuletzt häuften sich die Beschwerden über Engpässe im Arbeitsalltag. Die Wiener Ärztekammer startet heute eine große Umfrage zur Arbeitszufriedenheit der Wiener Spitalsärzte.
KURIER: Was war der konkrete Anlass, jetzt die Befragung zu starten?
Thomas Szekeres: Es gibt immer wieder Beschwerden von Ärzten, dass es sich seit Einführung der neuen Arbeitszeit-Regelung nicht mehr ausgeht: In einzelnen Fächern gibt es zu wenige Fachärzte, um die nötigen Leistungen zu erbringen, Dienste können nicht besetzt werden, es kommt zu Stationsschließungen. Das alles sind punktuelle Meldungen, deshalb wollen wir die Problematik flächendeckend abfragen.
Sind von den Einschränkungen auch die Patienten betroffen?
Punktuell ja. Etwa bei den Gelenkoperationen. Die Kapazitäten des Otto-Wagner-Spitals mussten heruntergefahren werden, weil es zu wenige Anästhesisten gibt. Dadurch gibt es längere Wartezeiten. Betroffen davon sind diejenigen, die sich keine private Operation leisten können – also eigentlich das Klientel der SPÖ.
Dabei handle es sich um falsche Behauptungen der Ärztekammer, sagt Udo Janßen, Generaldirektor des Krankenanstaltenverbunds (KAV).
Der Generaldirektor muss schlecht informiert sein. Es gibt keine Behauptung, die sich nicht bewahrheitet hat.
Wie geht es nach Abschluss der Umfrage weiter?
Wir werden anhand des Ergebnisses entsprechende Forderungen formulieren. Der springende Punkt ist, dass man Ärzte dort einsetzt, wofür sie eine Expertise haben – und nicht für administrative Tätigkeiten.
Sollte die Stadt darauf nicht eingehen: Sind dann Kampfmaßnahmen geplant?
Ich gehe davon aus, dass der KAV die Fakten nicht ignorieren kann. Und dass es nicht in seinem Interesse sein kann, die Leistungen zu reduzieren. Man hört von Überlegungen von Umstrukturierungen, wo ich mich frage, was das soll – etwa die Bündelung aller Augenabteilungen in der Rudolfstiftung, wodurch es zu Defiziten jenseits der Donau kommt.
Im Juli waren Sie noch sehr zufrieden mit der mit der Stadt getroffenen Vereinbarung zur Ärzte-Arbeitszeit. Bedauern Sie inzwischen Ihre Zustimmung?
Wir konnten unter anderem erreichen, dass es zu keinen finanziellen Einbußen kommt. Wir haben auch verschiedene Begleitmaßnahmen vereinbart. Im Moment sieht es aber nicht danach aus, dass sich die Stadt überall daran hält. Stattdessen reduziert sie nur Leistungen.
Wie ist derzeit die Stimmung unter den Ärzten in den Spitälern?
Wirklich verbessert hat sie sich nicht. Es gibt Berufe wie die Feuerwehrleute, Mitarbeiter der MA 48 oder der Rettung, die seitens der Stadt – zu Recht – sehr hoch geschätzt werden. Die Ärzte bekommen hingegen zu hören, dass sie ab 13 Uhr schlafen oder in der Hängematte liegen. Wieso Ärzte – bei vergleichbarer Belastung und Verantwortung – geringer geschätzt werden, verstehen viele Kollegen nicht. Es scheint auch immer mehr eine Politik des Drüberfahrens zu geben. Einen Konzern kann man aber nur gemeinsam mit den Mitarbeitern führen. Das vermisse ich.
Zum Höhepunkt des Konflikts um die neue Arbeitszeit-Regeln haben Sie im Vorjahr Ihre SPÖ-Mitgliedschaft ruhend gestellt. Ist es dabei geblieben?
Die Ruhendstellung der Mitgliedschaft hat nicht funktioniert, weil man nur austreten kann. Das habe ich gemacht und ich bin nicht wieder eingetreten. Ich bin aber auch bei keiner anderen Partei.
Seit dem Vorjahr dürfen Spitalsärzte im Schnitt nur mehr 48 Stunden pro Woche arbeiten. Nach zähem Ringen – es
ging unter anderem um Gehaltsanpassungen – und Streikdrohung der Ärzte wurde diese Regelung im Sommer 2015 auch in Wiens Gemeindespitälern umgesetzt.
Ab heute befragt die Wiener Ärztekammer zwei Wochen lang die Wiener Spitalsärzte online über die Auswirkungen der Neuregelung. Die wichtigsten Punkte: Veränderter Arbeitsaufwand, Wartezeiten für OP-Termine und in Ambulanzen, Veränderung der Situation der Patienten.