Chronik/Wien

Der Mann, der jedes Schlagloch persönlich kennt

Die Autotüre öffnet sich und es erscheint: ein riesiger Regenschirm. Erst danach erblickt man Adolf Tiller, seines Zeichens längstdienender Bezirksvorsteher Wiens, der langsam aus dem Wagen steigt. Seit 37 Jahren regiert er Döbling, den Bezirk zwischen Nobelvillen und Karl-Marx-Hof. Beginnend beim Japanischen Garten auf der Hohen Warte begleitete der KURIER den ÖVP-Politiker bei einem Rundgang durch seinen Bezirk.

Es regnet, doch davon lässt sich Tiller nicht beirren. Flotten Schrittes durchquert er den Park: "So einen guten Ort zum Erholen gibt es auf der ganzen Welt nicht", scherzt er. "Viele Kilometer" habe er hier mit Jubilaren des nahen Altersheims zurückgelegt: Kontakt zu den Bürgern sei ihm wichtig.

Tiller scherzt und wirkt keinen Moment müde. Woher er seine Energie nehme? Zum Einen sei es seine gute Veranlagung. "Und ich habe zwölf Jahre Fußball gespielt." Nächste Station ist daher das Stadion des Fußballvereins Vienna: Sogleich marschiert er über den Rasen, deutet Spielerbewegungen an und spricht über Taktik.

Vorbild: Zilk

Über seine Strategie als Politiker sagt er: "Ich packe alles an. Sie können ruhig schreiben, von wem ich das habe: vom Helmut Zilk (Bürgermeister der SPÖ)." Falle ein Parkverbot weg, blieben die Verkehrszeichen oft noch Wochen stehen. Tiller marschierte kurzerhand mit einer Leiter los, um die Schilder mit Säcken zu verhüllen: "Da pfeif ich mir nix." Nicht umsonst habe er den Ruf, jedes Schlagloch im Bezirk zu kennen.

Was die Zukunft des Bezirks betreffe, brauche es ein Verkehrskonzept für die Muthgasse: "Die oft geforderte Abbiegespur von der Gunoldstraße würde Stau im Gegenverkehr verursachen. Wir müssen die Autos ab der Nordbrücke umlenken." Ebenso befürwortet er eine U4-Verlängerung bis Klosterneuburg sowie eine zusätzliche U4-Station bei der Gunoldstraße. Und ihm schwebt ein gemeinsames Parkpickerl der Bezirke 13 bis 19 vor.

Seine Konkurrenten von der SPÖ üben freilich Kritik. Bezirksvorsitzender Franz Ekkamp vermutet, Tiller wolle das Parkpickerl bloß hinauszögern: "Wollte er es, hätte er es längst durchgesetzt." Anstelle einer U-Bahn-Verlängerung bevorzuge er eine Modernisierung der Schnellbahn. Zudem gebe es zu wenige Radwege. Ekkamps Kritik: "Tiller ist leider für viele Ideen nicht offen."

Im Jahr 2010 erreichte die ÖVP auf Bezirksebene 36,38 Prozent, die SPÖ 31,82. Tiller blickt der Wahl zuversichtlich entgegen. Der Rundgangs endet vor dem Döblinger Bezirksamt, es regnet nicht mehr: "Ich hab ganz oben angerufen und gesagt, es soll aufhören", scherzt er. Ob er, Jahrgang 1939, ans Aufhören denke? "Nicht, solange mir der Herrgott die Gesundheit schenkt und die Bürger Vertrauen zu mir haben."