Der „dubiose“ Mobilitätsfonds der Stadt Wien: ÖVP will rot-grünes Projekt auflösen
Es ist ein höchst eigentümliches Konstrukt, das die damalige rot-grüne Koalition im Jahr 2016 da im Wiener Gemeinderat (mit den Stimmen der Neos) abgenickt hat. Auf Betreiben von Christoph Chorherr – zu dieser Zeit grüner Planungssprecher in Wien, heute für seine Immobiliendeals unter Korruptionsverdacht – gründete man den Mobilitätsfonds Wien.
Es handelt sich dabei um einen Geldtopf, aus dem niederschwellige, kleine Mobilitätsprojekte in neuen Stadtteilen finanziert werden sollen – etwa der Ankauf von Lastenrädern oder Rad-Leihsysteme.
So weit, so vernünftig? Nicht unbedingt. Denn was im und rund um den Mobilitätsfonds passiert, sei „höchst intransparent“, kritisiert die Wiener ÖVP.
Das hat mehrere Gründe: Das Geld, aus dem sich der Fonds speist, kommt nämlich nicht von der Stadt – sondern soll von privaten Immobilienentwicklern eingezahlt werden, die ihre Projekte in besagten Stadtentwicklungsgebieten vorantreiben wollen. Welcher Bauträger, Investor oder Projektentwickler „wie viel und nach welchen Kriterien in diesen Fonds einzahlt“, wissen Opposition und Außenstehende bis heute nicht, bemängelt Elisabeth Olischer, Planungs- und Verkehrssprecherin der ÖVP Wien.
Der Grund: Der Mobilitätsfonds fällt unter das Wiener Landesstiftungs- und Fondsgesetz und entzieht sich somit der Kontrolle durch die Opposition. Schriftliche Anfragen wurden in den vergangenen Jahren nur vage beantwortet. Nur der Stadtrechnungshof darf den Fonds prüfen.
Der Skandal, den die Opposition wittert: Die Stadt könne einen Investor „bitten, ein bisschen was ins Köberl“ – also in den Fonds – „zu zahlen“, damit Projekte in seinem Sinn ablaufen. Das wäre „eine gesetzlich legitimierte Schutzgeldzahlung“, hieß es bereits im Jahr 2016 seitens ÖVP.
Hohe Ausgaben für PR
Bis der Fonds tätig wurde, sollte es nach 2016 übrigens noch dauern: In der Satzung wurde festgehalten, dass er erst zu arbeiten beginne, wenn Gelder in der Höhe von 400.000 Euro eingegangen sind. Das war 2019 der Fall.
Was ist seither passiert? Der Fonds wurde primär im Sonnwendviertel in Favoriten tätig. Mehr noch aber beschäftigte er sich mit sich selbst: Laut dem Tätigkeitsbericht 2020 (der nur vier Seiten umfasst) sind 43 Prozent der Ausgaben auf Administration und Öffentlichkeitsarbeit zurückzuführen.
Die nächste Irritation: In der Stadt gibt es seit Jahren auch noch die Mobilitätsagentur, die sich um das Thema Radfahren kümmert und seit einiger Zeit auch für den Themenbericht „Gehen“ zuständig ist.
Jetzt sollen ihre Agenden erneut erweitert werden – und zwar auf die gesamte „Förderung von klimaverträglichem Mobilitätsverhalten in Wien“. Ihr Budget steigt von 2,2 Millionen Euro pro Jahr auf 3 Millionen Euro. In der Gemeinderatssitzung am heutigen Dienstag soll all das beschlossen werden.
Ein gemeinsamer Chef
„Die Aufgaben der Mobilitätsagentur sind somit deckungsgleich mit jenen des Mobilitätsfonds“, sagt ÖVP-Mandatarin Olischar. Sie fordert, dass „der obsolete Fonds aufgelöst wird“. Die Stadt solle „ernsthafte Mobilitätskonzepte erarbeiten, statt Aufgaben in dubiose Fonds auszulagern.“
Auch mit Blick auf die Mobilitätsagentur fordert die ÖVP mehr Kontrollrechte. „Fakt ist, dass sich der Rad- und Fußgängeranteil in den Jahren des Wirkens der Agentur nicht signifikant gesteigert haben.“
Die ÖVP ortet ohnedies ein problematisches Naheverhältnis zwischen den beiden Einrichtungen: Geschäftsführer der Agentur ist der Radfahrbeauftragte Martin Blum. Er ist zugleich Geschäftsführer des Mobilitätsfonds. Seine Stellvertreterin im Fonds ist Petra Jens – die wiederum zugleich in der Mobilitätsagentur als Fußverkehrbeauftragte wirkt. Auch räumlich ist der Fonds in der Mobilitätsagentur untergebracht.
Und 2021 finanzierte der Fonds für die Mobilitätsagentur gar ein „Mobilitätsfest“ im Sonnwendviertel. Für die ÖVP „ein klarer Fall von versteckter Quersubventionierung“.