Chronik/Wien

Dem Rotlicht steht ein Kahlschlag bevor

Das horizontale Gewerbe in Wien wird ab 1. November kopfstehen. Das belegen die Zahlen und Fakten aus dem Referat für Prostitutionsangelegenheiten der Wiener Polizei schon jetzt. Mit dem Stichtag tritt eine für viele Bordelle folgenschwere Regelung in Kraft: Wer ein Rotlicht-Lokal betreiben will, muss strenge Auflagen erfüllen. Wer dies nicht schafft, muss die Rollbalken runterlassen.

Anfang November des Vorjahres trat das neue, in der Branche höchst umstrittene Wiener Prostitutionsgesetz in Kraft. Seitdem läuft die einjährige Übergangsfrist, während der Bordell-Chefs ihre Lokale genehmigen lassen müssen. Eine vorläufige Bilanz fällt ernüchternd aus: Von rund 450 Rotlicht-Lokalen in Wien können nur drei Betreiber einen positiven Bescheid vorweisen. Nur rund 50 Verfahren laufen.

Bauanzeigen

Die Auflagen sind streng: Hygiene, Sicherheit, Brandschutz, Fluchtwege und mehr sind genau normiert. Ein Ziviltechniker muss das Lokal abnehmen. In der Theorie dauert eine Genehmigung drei Wochen, in der Praxis um ein Vielfaches länger. „Die Bausubstanz in fast allen Lokalen entsprechen nicht den Plänen", erklärt Referatsleiter Wolfgang Langer. Anders gesagt: In vielen Studios gibt es neue Wände oder eben alte nicht mehr. Die Folge ist ein Stapel aus Bauanzeigen beim Magistrat, der ein Bauverfahren einleiten muss. Für rund hundert Ansuchen müssen Ziviltechniker deshalb erstmals neue Pläne anfertigen.

Und der Rest? Selbst nach einer erneuten Info-Kampagne der Polizei blieben viele säumig. Langer nennt dafür zwei Gründe: Viele könnten die Bedingungen nicht erfüllen, weil sie technisch nicht umsetzbar sind. Beispiel: ein Fluchtweg im Souterrain. Oder es hapert am Leumund, der den Betreibern bescheinigen muss, dass sie gegen keine branchenrelevanten Gesetze verstoßen haben.

In wie vielen Lokalen im November das Rotlicht brennen wird, ist zwar noch unklar, bei der Wiener Polizei rechnet man aber mit rund 150 Lokalen. Die übrigen Bordelle müssen ab 1. November zusperren – zumindest vorübergehend. Bei Verstößen kann die Polizei strafen (bis zu 7000 Euro) und Lokale schließen. Langer glaubt, dass zweihundert Sexlokale nachträglich um Genehmigung ansuchen werden. Der Rest, je nach Zählweise bis zu 150 Etablissements, muss schließen.  Die Konsequenzen lassen sich noch nicht abschätzen. Die Exekutive begrüßt den „Verbesserungsprozess" und spricht von einem „Ende der Hinterhoflokale".

Illegalität

Christian Knappik kennt die Probleme von Prostituierten. Er arbeitet ehrenamtlich für eine Sexarbeiterinnen-Plattform. „Wir fürchten uns vor dem Stichtag. Das Gesetz ist einfach unüberlegt." Es dränge Prostituierte in die Illegalität in geheime Wohnungen.

Rotlicht-Manager wie Peter Laskaris begrüßen das große Reinemachen. „Ich werde die Auflagen erfüllen können." Er betreibt in Wien- Meidling ein Laufhaus. Wie in einem Hotel mieten sich Prostituierte hier ein Zimmer, allerdings nicht für einzelne Tage, sondern gleich für einen Monat – und das zu Hotelpreisen von rund 80 Euro pro Tag. In diese Etablissements mit bis zu 40 Zimmern könnte sich künftig das Geschäft verlagern. Nicht zuletzt, weil Investoren viel Geld lockermachen, können solche Bordelle die geforderten Auflagen erfüllen. Für Knappik ist der Trend bedenklich: „Das ist eine Form der Prostitution, die enorme Abhängigkeit schafft. Die Frauen arbeiten für die Miete." Derzeit ist viel Geld im Rotlicht in Bewegung, sagen Insider. Und es gibt weitere Pläne für Laufhäuser, dazu jenen vom größten Laufhaus der Welt.