Auf Wiener Spurensuche im Karl-Marx-Hof von New York
Von Elias Natmessnig
An der Lower East Side in Manhattan steht ein Stück New Yorker Baugeschichte. Die Inspiration dazu lieferte Wien. Die Hillmann Cooperative Houses, 1947 von der Gewerkschaft der Textilarbeiter errichtet, erinnern an Wiener Gemeindebauten – wie dem Karl-Marx-Hof. Der begrünte Innenhof, bogenartige Eingänge an den Seiten und soziale Einrichtungen wie eine gemeinsame Waschküche und Bibliothek verweisen auf das 1930 erbaute Vorbild.
„Das zeigt, dass der Wiener Wohnbau schon damals weltweit eine Rolle gespielt hat“, sagt Wohnbaustadtrat Michael Ludwig. Er war nach New York gereist, um die Ausstellung „The Vienna Modell – Housing for the 21st Century City“ im Austrian Cultural Forum zu eröffnen. Im Zuge dessen sah sich Ludwig mehrere soziale Wohnprojekte in New York an.
Unterschiede
Im Gegensatz zu Wien spielte der soziale Wohnbau in New York nie eine große Rolle. Nur fünf Prozent der New Yorker leben in einer Wohnung der Stadt, 13 Prozent in geförderten Wohnungen. Neue Projekte müssen meist mithilfe privater Investoren errichtet werden. In Wien leben hingegen 60 Prozent im Gemeindebau oder in einer geförderten Wohnung. Das führt dazu, dass die Stadt den Mietpreis niedrig halten kann. „In New York gibt es zudem fast keine unbefristeten Mietverträge“, sagt Ludwig. „Dadurch steigen die Mieten rascher als bei uns.“
Neidvoll blicken daher New Yorks Wohnbaupolitiker nach Wien. „Natürlich könnte die Stadt mehr machen“, gibt David Burney, Building Comissioner von New York im Gespräch mit Amtskollegen Ludwig bei der Ausstellungseröffnung zu.
„Sozialer Wohnbau hat bei uns keine Tradition. Wer dort lebt, ist stigmatisiert“, sagt Kaye Matheny, verantwortlich für Soziales Wohnen in New York. Die US-Stadt mit 8,2 Millionen Einwohnern gibt jährlich eine Milliarde Dollar (760 Millionen Euro) für soziales Wohnen aus. Wien mit knapp 1,8 Millionen Einwohnern leistet sich rund 600 Millionen Euro. Bis zu 16.000 neue geförderte Wohnungen entstehen jährlich in Big Apple, in Wien sind es knapp 6000.
Bronx
Man überlässt es in New York dem freien Markt, leistbare Wohnungen zu errichten. Mit dem Resultat, dass es immer zu wenig Angebot gibt. Auch auf die soziale Durchmischung wird wenig geachtet, wie das Projekt „Via Verde“ in den Bronx zeigt. Hier wurde ein Wohnturm errichtet, mit Terrassen und einem eigenen Gemüsegarten. Wer hier wohnen will, darf maximal 110 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienen. Als das Projekt bekannt wurde, gab es mehr als 7000 Bewerbungen – aber nur zehn Prozent konnten genommen werden. Also wurden die Wohnungen kurzerhand verlost.