Chronik/Wien

Aspanggründe: Wo Alt und Neu zusammenwachsen

"Niemals vergessen" steht auf dem Stein, direkt vor dem neu errichteten Leon-Zelman-Park auf den Aspanggründen in Wien-Landstraße. Der Stein ist ein Mahnmal dessen, was hier einst geschah. Von 1939 bis 1945 wurden 50.000 österreichische Juden vom Aspangbahnhof zuerst in Ghettos, später direkt in Konzentrationslager deportiert. Sie kamen nie mehr zurück.

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Heute ist der Leon-Zelman-Park auf den Aspanggründen der Eintritt in das neue Stadtviertel, das hier errichtet wird. "Eurogate", wird es genannt. An einem lauen Spätsommerabend unter der Woche ist dort viel los. Zwei junge Frauen sitzen auf einer Parkbank in der Abendsonne und tratschen. Kleinere und größere Kinder toben sich auf dem Spielplatz aus.

Weiter hinten, auf der Wiese vor dem Wohnhaus in der Aspangstraße 8, bohrt Heinz mit seinem fünfjährigen Sohn Severin eine Schraube in ein Holzbrett. Aus sieben Teilen einer alten Schalungsplatte bauen sie nach dem Entwurf der Architekten Miriam Pollak und Frank Schwenck einen gelben Sessel für den Balkon: Heinz und Severin nehmen an einem Workshop zum Bau von so genannten Upcycling-Möbeln (Upcycling ist das Umwandeln von alten Stoffen in neue Produkte, Anm.) statt.

Grätzel gestalten

Das Material und die "Möbelcoaches" stellt die Gebietsbetreuung im dritten Bezirk zur Verfügung. Teilnehmen können alle aus dem Viertel, nicht nur "die Neuen".

"Wir versuchen, die Leute, die hier schon länger wohnen, mit jenen, die zugezogen sind, zusammenzubringen", sagt Michaela Glanzer von der Gebietsbetreuung. Denn als 2011 das erste neue Wohnhaus errichtet wurde, seien viele Anrainer nicht gerade begeistert gewesen. "Aber das sind die Menschen nie, wenn ihnen ein Haus auf die Wiese vor ihrer Wohnung gestellt wird."

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2012 folgten zw ei weitere Wohngebäude, 2014 das vierte. Heute leben im Stadtteil "Eurogate" etwa 1800 Menschen in 824 Wohnungen. Zum Rennweg hin wird seit September 2015 wieder gebaut. Dort sollen bis 2017 weitere 400 Wohnungen und Geschäfte entstehen. Mit Workshops – wie jenen zum Möbelbauen – und Spiele-nachmittagen versucht die Stadt aber nicht nur, die Menschen einander näher zu bringen: "Es geht darum, dass die Leute, die hierher ziehen, auch ankommen. Wir wollen sie mit diesen Aktionen motivieren, ihr Grätzel selbst zu gestalten", sagt Michaela Glanzer.

Das hat beim temporären Nachbarschaftsgarten funktioniert. Der wurde vor zwei Jahren auf jener Fläche geschaffen, die für die Errichtung eines Schul-Campus reserviert ist. Heute wachsen dort Erdbeeren, Tomaten, Zucchini, Melonen, Artischocken und sogar Kürbisse.

Geheimverstecke

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Die Beete wurden an langjährige Anwohner und neue gleichermaßen vermietet. Auf der ehemaligen "G’stättn" wird heute gemeinsam gegartelt und gegrillt. Kinder, etwa die siebenjährige Alva und der neunjährige Simon, bauen "Geheimverstecke" in dem schmalen Baumstreifen und verkosten die Blüten von der Kapuzinerkresse, die im Nachbarschaftsgarten wuchert.

"Ich war am Anfang sehr skeptisch", sagt Petra, die schon lange im angrenzenden Fasanviertel wohnt. "Ein Neubauprojekt auf diesen historischen Flächen." Aber, sagt sie weiter: "Es funktioniert. Und zwar voll, mit den Alten und den Neuen. Es sind Freundschaften entstanden. Es hat eine Karma-Änderung stattgefunden."

Stadtviertel Eurogate

Auf dem Areal des ehemaligen Bahnhofes Aspang entsteht die größte Passivhaussiedlung in Europa und ein neuer Stadtteil mit Wohnungen, Büros, einem Park und einer Schule.

Auf der Fläche für die künftige Schule wurde als Zwischennutzungsprojekt der „Nachbarschaftsgarten auf Zeit“ errichtet. Die Anrainer hoffen, dass dieser irgendwo auf dem Areal erhalten bleiben kann.