Chronik/Wien

"Ganz friedlich": Zwei Tote

Nur noch ein Polizeihund durchsucht den Verhandlungssaal auf Sprengstoff (statt zwei Hunde wie beim Auftakt), nur vier Justizwachebeamte (statt zwei Dutzend) stehen im Spalier. Der Wiener "Aliyev-Prozess" ist in den Niederungen des Alltags angekommen, und es wird überdeutlich: Die Anklage ist ganz und gar auf einen Toten zugeschnitten, auf den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev. Laut seiner Witwe hat ihn "eine bislang unbekannte Hand gestoppt", ehe er sich habe reinwaschen können. Mit seinen zwei Mitangeklagten stehen allenfalls nur Handlanger vor Gericht.

Demokratisch

Der eine, Alnur Mussayev, präsentiert sich ausgerechnet als ehemaliger Chef des kasachischen Geheimdienstes KNB als "der gute Mensch von Kasachstan" (Zitat ORF-Kollegin Petra Pichler). Zu seiner Zeit habe es in Kasachstan "keine Erschießungen" gegeben. Das stehe unter der Herrschaft des Staatspräsidenten Nursultan Nasarbayev ansonsten auf der Tagesordnung. "Aber ich sorgte dafür, dass der Führungsstil so demokratisch wie möglich war." Man braucht beinahe nicht zu erwähnen, dass sich Mussayev für "unschuldig" erklärt und die beiden Bankmanager Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov im Februar 2007 im Auftrag von und gemeinsam mit Rakhat Aliyev nicht ermordet haben will. Er habe zur Tatzeit in seiner Wohnung an einer Alkoholvergiftung laboriert. Zeugenaussagen, die anderes behaupten, seien gefälscht.

Mussayev berichtet von seinen wenig erfolgreichen Versöhnungsversuchen zwischen Nasarbayev und dessen Ex-Schwiegersohn Aliyev. Der Staatspräsident habe Aliyev vorgeworfen, er könne das Vermögen der Familie nicht zusammenhalten. Das steckte unter anderem in der kasachischen Nur-Bank, deren Manager Geld abgezweigt haben sollen. Mussayev behauptet, Aliyev zu einer "gesetzmäßigen Lösung" dieses Problems geraten und beobachtet zu haben, dass alles "ganz friedlich" abgelaufen sei.

Laut Anklage ließ Aliyev jedoch drei Manager entführen. Einem gelang es, zu flüchten; die beiden anderen wurden gefoltert und erdrosselt. Ihre Leichen fand man Jahre später in einer Müllhalde. Dass Mussayev beteiligt gewesen sei, leitet die Staatsanwältin aus einem schon viel früher heimlich aufgezeichneten Skype-Telefonat ab. Darin sagt Mussayev zu einem Bekannten, er könne "zu 100 Prozent" den Ort nennen, an dem die Leichen vergraben sind.

Interview

Der Angeklagte behauptet, das Tonband sei manipuliert. Als väterlicher Freund von Aliyev habe auch er das Vertrauen des Präsidenten Nasarbayev verloren und sei verfolgt worden. Aus Angst um sein Leben habe er sich als Informationsquelle angedient. Daraufhin habe er der Wiener Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner, die für den Opferverein "Tagdyr" die Witwen der getöteten Bankmanager vertritt, Bericht erstatten müssen. In den Kanzleiräumen habe er 2009 der Kronen Zeitung ein Interview geben und wider besseres Wissen sämtliche Vorwürfe gegen Aliyev für zutreffend erklären müssen.

Die Staatsanwältin löcherte Mussayev mit Fragen, bis der Richter die "sinnlosen Vorhalte" stoppte.

Fortsetzung am Freitag.