Wladimir Putin besucht die Mönchsrepublik
Von Elke Windisch
Das Vorhaben ist einmalig. Einen Präzedenzfall gibt es weder in der jüngeren noch in der älteren Geschichte Russlands: Der Kremlherrscher und der Patriarch gehen gemeinsam auf Auslandsreise – zu den Glaubensbrüdern nach Griechenland.
Bei Teilen des dortigen Klerus hält sich die Freude in Grenzen. Denn Wladimir Putin und Kirill werden heute, Samstag, begleitet von Präsident Prokopis Pavlopoulos und Regierungschef Alexis Tsipras, Athos besuchen. Anlass ist die tausendjährige Präsenz Russlands auf dem Heiligen Berg. Doch Teile der Mönchsrepublik erwarten von den Gästen aus Moskau weniger Beschwörung historischer Gemeinsamkeiten, sondern Beistand gegen die Ketzerei hier und heute.
Immerhin fünf Großklöster verweigern die namentliche Fürbitte für ihren geistlichen Oberherrn: gegen Bartholomäus, den Patriarchen der griechisch-orthodoxen Kirche. Das ist in etwa so, als würde ein Bürgermeister das Bild des Staatschefs aus seiner Amtsstube verbannen. Die Mönche wollen verhindern, dass sich die orthodoxe Kirche auf ihrem Welttreffen Mitte Juni auf der Insel Kreta gegenüber anderen christlichen Bekenntnissen öffnet und Moralvorschriften lockert. Entsprechende Resolutionen hat der liberale Bartholomäus, den auch die meisten orthodoxen Christen in der Ukraine, im Baltikum und auf dem Balkan als Oberherrn anerkennen, initiiert.
Konservative hoffen auf Moskau
Beistand im Kampf gegen die drohende Verluderung versprechen sich die Rebellen vor allem von Moskau. Kirill ist ein Konservativer, der Kremlherrscher – nach eigenen Worten – ebenfalls. Putin hat mit "nichttraditionellen sexuellen Orientierungen" so wenig am Hut wie der Klerus. Vor allem aber hat er Russland eine gleich straffe Machtvertikale übergestreift wie die Kirche und verlangt wie diese von seinen Untertanen Gehorsam gegenüber der himmlischen und irdischen Obrigkeit.
Als erzkonservativ gilt auch der russische TV-Kanal Zarigrad, dem die Mönchsrepublik die Rechte für die Live-Übertragung des Athos-Besuchs überließ. Chefredakteur Alexander Dugin wird von Russlands Liberalen sogar als reaktionär und rechtsextrem geschmäht. Er ist der Vordenker der "Eurasischen Bewegung", die den dekadenten Doppelkontinent gern unter großrussisch-orthodoxen Fahnen einen und moralisch sanieren würde. Auch weist Dugin gern darauf hin, dass der Heilige Berg, nachdem die Osmanen 1453 Zarigrad – kirchenslawisch für Konstantinopel – erobert hatten, für mehrere Jahrhunderte dem Moskauer Patriarchat unterstand.