Chronik/Welt

Was von Papst Franziskus zu erwarten ist

Ein bisschen erinnerte sein erster Auftritt nach der Wahl zum 266. Papst an den legendären Johannes XXIII. (1958–1963). Volksnah, bescheiden und voller Demut präsentierte sich Franziskus am Dienstagabend im Vatikan. Doch ein so großer Wurf, wie es Johannes XXIII. mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gelang, das die Kirche modernisierte, ist von dem bisherigen argentinischen Kardinal nicht zu erwarten. Dennoch könnte das Pontifikat des neuen Oberhirten spannend werden, weil Jorge Mario Bergoglio als Geistlicher und in seinen ersten Signalen Widersprüche zu vereinbaren sucht.

Namenswahl

Der Verweis auf Franz von Assisi, der als reicher Tuchhändlersohns nach seiner Berufung in Armut lebte, passt zwar gut zum sozialen Engagement des „Kardinals der Armen“, ist für einen Jesuiten aber doch erstaunlich. Denn hier treffen zwei Welten aufeinander. Die Jesuiten wurden wegen ihrer strengen und effizienten Struktur lange als „Soldaten Christi“ bezeichnet. Sie bildeten Eliten aus, sind geschärft im dialektischen Denken und stellen die intellektuelle Speerspitze der katholischen Kirche dar. Während Jesuiten kein eigenes Ordensgewand haben, hüllen sich die Franziskaner in eine braune Kutte – ursprünglich waren diese Bettelmönche und eben nicht „Soldaten Christi“. Jorge Mario Bergoglio versucht so also den Brückenschlag zwischen Intellekt und Spiritualität.

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Der Jesuiten-Pater Georg Sporschill meint, dass Papst Franziskus bei seiner Namenswahl auch einen der ersten Jesuiten im Auge gehabt habe: Franz Xaver (1506–1552). Dieser war der Wegbereiter der christlichen Mission in Asien. Das wäre ein klares Signal des Lateinamerikaners an die wachsende Gemeinde asiatischer Katholiken, die Kirche zu einer Welt-Kirche umzugestalten. Dies dürfte dem 76-Jährigen tatsächlich ein Anliegen sein. Ob er dafür auch bereit ist, den Kontinental-Kirchen mehr Eigenständigkeit zu geben, wird sich erst weisen.

Kampf gegen Armut

Hier gibt es eine Diskrepanz im bisherigen Wirken des Argentiniers. Den „Skandal der Armut“ prangerte der Geistliche immer wieder an. Kein Wunder, war er doch immer mit Elend und Ungleichheit in seiner Heimat und auf dem Kontinent konfrontiert. Insofern traf er die Option für die Armen, aber er traf nicht die Option für strukturelle Maßnahmen, die Ursachen des Übels zu beseitigen. In diesem Sinn steht er in der Tradition seiner Vorgänger Johannes Paul II. und Benedikt XVI., der als Präfekt der Glaubenskongregation unter Johannes Paul II. mit seinem „Chef“ in den 80er-Jahren gegen Befreiungstheologen vorging. Diese, die auch auf gesellschaftspolitische Veränderungen drängten, waren dem obersten Jesuiten Argentiniens (1973–1979) ebenfalls suspekt. Zwei seiner Mitbrüder, so ein Vorwurf, soll er gar ans Messer der damaligen Militärjunta geliefert haben. Er bestreitet das.

Als guter Hirte, als der sich Papst Franziskus wohl präsentieren wird, wird er zwar mehr Gerechtigkeit und auch Umweltschutz einfordern. Die „tödlichen Strukturen“, von denen die Befreiungstheologie spricht, wird er nicht antasten. Aber zumindest thematisch könnten sich die eher fortschrittlichen Kräfte jetzt nicht ganz so an den Rand gedrängt fühlen.

Heiße Kirchenthemen

In Fragen der Sexualmoral, der Frauen oder des Zölibats sind vom neuen Pontifex wohl kaum Impulse zu erwarten. Auf diesem Feld gilt er als sehr konservativ. Als Argentinien 2010 die „Homo-Ehe“ einführte, hatte er massiv dagegen lobbyiert und von „Teufels-Manöver“ gesprochen.

Kurie

Mit Bankenskandal und Vatileaks hat Franziskus hier eine Großbaustelle übernommen. Doch dem „Soldaten Christi“ ist zuzutrauen, die Trümmer auf dem Schlachtfeld zu beseitigen. Als „gelernter“ Jesuit weiß er, wie die Strukturen der Macht funktionieren. Während er nach außen als sanfter Hirte auftreten wird, könnte er intern durchaus den strengen Zuchtmeister geben, was dem Vatikan gut täte.

Übergang

Aufgrund seines Alters wird auch dieses Pontifikat eines des Übergangs bleiben. Große Reformen in Glaubensfragen wird es mit ihm wohl nicht geben. Aber Papst Franziskus könnte einiges zusammenführen und nach dem professoralen Benedikt XVI. der Kirche wieder mehr Wärme und Lebendigkeit verleihen.

Ich habe heute früh die Papst-Limousine gesehen, als ich mit meinem Rad an der Piazza Santa Maria Maggiore vorbeifuhr “, freut sich die Römerin Micaela S. Der erste Tag nach seiner Wahl begann für Franziskus mit einer Messe unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Basilika Santa Maria Maggiore. Begleitet wurde der Papst auf seinem überraschenden Ausflug von Georg Gänswein, dem bisherigen Privatsekretär Benedikts XVI.

Seit den Morgenstunden war der Platz abgesperrt, ein riesiges Polizeiaufgebot versuchte die Schaulustigen abzudrängen. Touristen, die am nahen Bahnhof, der Stazione Termini, ankamen, versuchten gleich samt Gepäck zum Ort des Geschehens zu gelangen. Am Nachmittag traf Franziskus die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle. Dabei waren auch all jene Purpurträger, die nicht wahlberechtigt waren. Danach zelebrierte er eine Messe, in der er die Kirche davor warnte, Gott aus dem Blick zu verlieren.

Am Samstag wird er in der Aula Nervi Journalisten treffen, am Sonntag sein erstes Angelus-Gebet sprechen. Am Dienstag dann wird Franziskus mit einem feierlichen Gottesdienst um 9.30 Uhr in sein neues Amt eingeführt. Bei der Messe werden Delegationen aus der ganzen Welt und viele Staats- und Regierungschefs anwesend sein – auch Bundespräsident Fischer, Kanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger.

Einige Medien machten sich darüber lustig, dass der italienischen Bischofskonferenz nach der Papstwahl ein Lapsus unterlief: Statt Bergoglio zu beglückwünschen, wurde in Gratulations-Aussendung Kardinal Angelo Scola zum Nachfolger Petri gemacht. Andere Kommentatoren äußerten sich mehrheitlich enthusiastisch über den Argentinier: „Rom hat ihn sofort ins Herz geschlossen.“ Der Corriere della Sera versuchte, sich anhand einiger Anekdoten der Person Bergoglio zu nähern. Er war in seiner Jugend mit einer Freundin aus seiner Clique verbandelt. Er liebte es früher zu tanzen, schätzt Gedichte von Hölderlin und Bilder von Chagall. In einem früheren Interview gestand der Jesuit erstaunlich offen, dass er „Fehler ohne Ende“ gemacht und auch gesündigt habe.

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