Chronik/Welt

Verschollenes Flugzeug bleibt unauffindbar

Auch am Freitag behinderten Regen, Nebel und dichte Wolken die Suche nach Trümmern, die möglicherweise von der verschwundenen Boeing 777 der Malaysia Airlines stammen könnten. Die australischen Piloten brauchen von Perth drei Stunden bis zum Suchgebiet, dort bleiben sie zwei Stunden und müssen dann die 2500 k m zurückfliegen. Für mehr reicht der Sprit nicht.

Der südafrikanische Bergungsexperte Nick Sloane glaubt, dass die Suche noch Monate dauern könnte. Sloane und sein Team richteten im Herbst das havarierte Kreuzfahrtschiff "Costa Concordia" vor der Insel Giglio auf. Sloane war auch schon an mehreren Tiefseebergungen beteiligt. Der 53-Jährige fischte bereits als junger Mann eine Boeing aus dem Indischen Ozean. Die SA Helderberg der South African Airways war 1987 östlich von Mauritius in den Indischen Ozean gestürzt und Monate später in 4900 Meter Tiefe gefunden worden.

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Flug MH370 von Kuala Lumpur nach Peking wird in einem der entlegendsten Seegebiete der Erde gesucht. Das norwegische Frachtschiff "Hoegh St. Petersburg" ist in der Region, die unter Seefahrern als "Roaring Forties"(deutsch: brüllende Vierziger)bekannt ist. Zwischen dem 40. und 50. südlichen Breitengrad bläst meist heftiger Westwind, das Wetter ist unbeständig, die Wellen im Schnitt fünf Meter hoch. Keine Badetemperaturen. Die vom Satelliten am Sonntag georteten Trümmer sind demnachschon mehrere Hundert Kilometer weit abgetrieben. Ein zweiter Frachter sollte am Freitag eintreffen.

Der Chef der australischen Seerettungsbehörde Amsa versuchte den Angehörigen der 239 Passagiere, von denen die meisten in Peking und Kuala Lumpur auf das Schlimmste vorbereitet sind, irgendwie Mut zu machen. John Young in einem Briefing: "Wir haben bisher nichts gefunden. Wir konzentrieren uns darauf, Überlebende zu finden, wenn es Überlebende gibt."

Nick Sloane rechnete im Tagesanzeiger vor, welche Probleme sich den Suchmannschaften stellen: Würde das Wrack gefunden, müssten automatische U-Boote, Geräte zur Schallvermessung und Bergung und anderes Equipment an die Stelle gebracht werden. Es ist nicht einmal klar, wie tief Schallwellenmesser tauchen müssten, um möglicherweise Signale des Flugschreibers zu empfangen. Der Wasserdruck könne in solchen Regionen 200 bis 300 Bar betragen, Signale würden zudem durch verschiedene Wasserschichten mit schwankenden Temperaturen verzerrt.

Ohne Flugschreibersignale könnte sich die Suche massiv in die Länge ziehen – "vielleicht um Jahre". Aber der Flugschreiber sendet nur noch etwa zwei Wochen Signale, dann sind die Batterien leer. Sloane glaubt nicht, dass er vor Ablauf der Frist gefunden werden kann, "dafür ist das Suchgebiet zu groß und zu abgelegen".

Mit der Bergung der "Costa Concordia" sei eine solche Aktion überhaupt nicht zu vergleichen. "Im Indischen Ozean sind die Bedingungen viel unberechenbarer. Die Wrackteile könnten über weite Teile verstreut sein, und Unterwasserberge die Arbeit erschweren."

Und wenn die Satellitenbilder nur irgendein Treibgut zeigen und MH370 ganz woanders wäre?

Vor zehn Wochen waren es im Eis gefangene Hobbyforscher, jetzt sind es mögliche Flugzeugtrümmer im Meer: Immer, wenn es um Such- und Rettungsaktionen rund um Australien geht, ist die Seesicherheitsbehörde Amsa gefragt. Notfallhilfe ist eine ihrer Hauptaufgaben.

Viele Einsätze sind dramatisch, wie die Hubschrauber-Rettung der Forscher und Touristen, die mit ihrem Expeditionsschiff über Weihnachten und Neujahr im antarktischen Eis festsaßen. Jetzt steht die Behörde bei der Suche nach dem verschwundenen malaysischen Flug MH370 im Rampenlicht. "Die Suche aus der Luft ist sehr anspruchsvoll, man braucht intensive Konzentration über einen langen Zeitraum", sagte Amsa-Chef Graham Peachey erst Anfang März bei einem Seminar in Townsville an der Ostküste, wo Freiwillige trainiert wurden.

Australien hat rund 25.000 Kilometer Küsten. Von da aus erstreckt sich das Zuständigkeitsgebiet von Amsa noch einmal Tausende Kilometer auf das Meer hinaus, Richtung Pazifik, Richtung Antarktis, Richtung Indischer Ozean. Die Dimensionen sind für europäische Verhältnisse kaum vorstellbar: Amsas Gebiet ist 52,8 Millionen Quadratkilometer groß - siebenmal so viel wie die gesamte Landmasse Australiens.

Amsas Such- und Rettungskräfte zählen zu den erfahrensten der Welt. Zu den Mitarbeitern gehören nach Angaben der Behörde Spezialisten, die aus der Luftwaffe und Marine sowie aus der kommerziellen Schiff- und Luftfahrt rekrutiert wurden. Im Indischen Ozean hat Amsa Anfang der Woche das Kommando bei der Suche nach der vermissten Boeing übernommen. Die Experten steckten auf den Seekarten zunächst ein 600.000 Quadratkilometer großes Gebiet ab und grenzten dies nach Berechnung von Wind und Strömung kontinuierlich ein.

Zur Verfügung stehen ihnen drei Orion-Flugzeuge. Sie werden weltweit als Seeaufklärer eingesetzt, davon zwei aus Australien und eins aus Neuseeland. Eines dieser Flugzeuge wurde am Donnerstag als erstes in die Region beordert, in der auf Satellitenbildern mögliche Wrackteile des Flugzeugs entdeckt wurden. Hinzu kommt eine Boeing P-8 Poseidon der US-Luftwaffe, ein neuerer Typ Seeaufklärer. Die Einsätze starten am Stützpunkt Pearce bei Perth an der Westküste. Zusätzlich sollte eine Hercules-Maschine der Luftwaffe besondere Bojen in dem Gebiet ins Wasser werfen, um das Auffinden der Stelle zu erleichtern und Strömung und andere Daten zu messen.

Amsa beorderte zudem das militärische Versorgungsschiff "HMAS Success" in die Region. "Es ist gut ausgestattet, um Objekte zu bergen", teilte Amsa mit. Das Schiff dürfte aber einige Tage brauchen, bis es im Zielgebiet eintrifft. Ein kommerzielles Schiff, das auch in dem jetzt betroffenen Seegebiet war, half ebenfalls bei der Suche.