Legalisierung von Marihuana rückt immer näher
Von Dirk Hautkapp
Egal, ob Donald Trump oder Hillary Clinton demnächst im Weißen Haus sitzt: Das Volk, das sie regieren, wird möglicherweise so relaxt sein wie selten zuvor. Neun Bundesstaaten entscheiden am 8. November neben der Präsidentenfrage in Volksabstimmungen über die weitere Legalisierung von Marihuana als Genussmittel oder Medikament: Darunter sind so wichtige Staaten wie Kalifornien, Nevada, Arizona, Maine und Massachusetts.
Weil Umfragen zeigen, dass inzwischen 60 Prozent der Amerikaner das noch immer bundesweit geltende Cannabis-Verbot für überholt halten, vor zehn Jahren waren es nur 32 Prozent, gehen die Befürworter von einer "riesigen Schubwirkung" für das Geschäft mit dem "grünen Gold" aus.
Milliardenumsätze
Markt-Analysten sagen voraus, dass der Umsatz mit Joints und "Edibles", essbare High-Macher wie Schoko-Riegel oder Kuchen, von heute 5,5 Milliarden Dollar bis Ende des Jahrzehnts auf 23 Milliarden Dollar wachsen wird. Investoren winken gewaltige Gewinne, der Fiskus kann sich über zusätzliche Steuereinnahmen freuen.
Bisher haben nur die Bundesstaaten Washington, Oregon, Alaska und Colorado sowie die Hauptstadt Washington DC die Droge unter strikten Auflagen als Genussmittel freigegeben. Privatleute dürfen selber daheim anbauen und konsumieren. In 25 Bundesstaaten ist Marihuana als Schmerzlöser auf Rezept zugelassen. Teilweise schon seit 20 Jahren.
Wie so oft sind die Augen vor dem Wahltag vor allem auf Kalifornien gerichtet. Vor sechs Jahre schrammte im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat (40 Millionen Einwohner) der Antrag auf Entkriminalisierung von Kiffern und ihrer Ware an der Mehrheit vorbei. Diesmal werden der sogenannten "Proposition 64" große Chancen auf Erfolg eingeräumt. "Es wird endlich Zeit", schreibt die Los Angeles Times.
Sollten die Wähler an der Westküste grünes Licht geben, sagte Richard Baca dieser Zeitung, "dann ist der Zug in ganz Amerika nicht mehr aufzuhalten." Der ausschließlich für Marihuana-Themen zuständige Zeitungs-Redakteur arbeitet für die Denver Post in Colorado. Er gilt durch seine Internetseite www.thecannabist.co weltweit als Instanz, seit der Bundesstaat in den Rocky Mountains am 1. Januar 2014 mit der Pionierarbeit begann: Strikt kontrollierte Freigabe.
KiffertourenIm Großraum Denver hat sich in nicht einmal 24 Monaten eine hoch diversifizierte Industrie mit Tausenden Arbeitsplätzen entwickelt, die vom Marihuana-Anbau über den Verkauf in lizensierten Läden bis hin zum touristischen Lifestyle-Produkt (Kiffer-Touren mit Chauffeur in Luxus-Limousinen) die komplette Verwertungskette abdeckt.
Als Hindernis steht nach wie vor das auf Bundesebene geltende Cannabis-Verbot im Raum. Es lässt Banken bei der Kreditvergabe zögern. Investoren, "Ganjapreneure" genannt, stehen unter latentem Geldwäsche-Verdacht. Weil Marihuana-Unternehmer lange Zeit in Colorado keine Konten eröffnen konnten, wurden sämtliche Geschäfte in bar abgewickelt. Julie Dooley, dreifache Mutter und Herstellerin von Öko-Schokokuchen, Müsli-Riegeln und Butter mit dem Cannabis-Wirkstoff THC, hat darum in ihrem Betrieb in Denver inzwischen "den zweiten großen Tresor stehen".
Nicht mehr Kriminalität
Richard Baca: "Weil sich die schlimmsten Befürchtungen – mehr Kriminalität, mehr Opfer, mehr Überdosierungen, mehr Abhängige – nicht bewahrheitet haben, haben die Menschen in anderen Bundesstaaten die Angst vor einer Legalisierung verloren." Die 18- bis 29-Jährigen sind zu 70 Prozent für die Freigabe.
Kritiker wollen den "Sündenfall" nicht zulassen und mobilisieren Wähler in Arkansas, Florida, Montana und North Dakota. Inzwischen gibt es aber bereits den Aktienindex MJIC für die Branche. Zu den bekanntesten Investoren gehört der Hip-Hop-Star Snoop Dog, der von sich behauptet, täglich 80-mal den Joint kreisen zu lassen.