Chronik/Welt

US-Schulmassaker: Schüler sagen Waffenlobby den Kampf an

Die Rede der jungen Frau war pure Emotion und Betroffenheit. Jedem Politiker, der Geld genommen habe von der National Rifle Association, der US-Waffenlobby, dem sage sie: "Schämen Sie sich!" Emma Gonzalez, 17-jährige Schülerin mit kurzgeschorenen Haaren, rief das bei einer Anti-Waffen-Demonstration in Fort Lauderdale in die Menge. Und diese skandierte daraufhin ebenfalls: "Shame on you!" – "Schämen Sie sich!"

Gonzalez ist am vergangenen Wochenende in Amerikas Medien und Internet-Portalen zum Gesicht des Protests junger Menschen gegen die US-Waffengesetze geworden. Im ganzen Land rufen Jugendliche derzeit in sozialen Medien zu Protestaktionen gegen die US-Waffenkultur auf. Die politisch engagierte Gonzalez war selbst Schülerin an der Marjory Stoneman Douglas High-School in Parkland, Florida. Sie harrte mit ihren Mitschülern am 14. Februar in Todesangst in ihrer Klasse aus. Emma Gonzalez hatte Glück, 14 Schüler und drei Lehrer nicht. Sie starben durch die Kugeln eines halbautomatischen AR-15-Gewehrs.

Die Toten von Parkland waren die 18. Schulschießerei in den USA – allein im Jahr 2018. In den Vereinigten Staaten spricht man im Zusammenhang mit Schul-Massakern bereits von der "Columbine-Generation". An der Columbine High-School in Colorado waren 1999 durch Schüsse 15 Menschen gestorben. Die Serie an Waffenvorfällen, oft mit tödlichen Folgen, an amerikanischen High-Schools riss seitdem nicht mehr ab.

Rebellion gegen Einfluss der NRA

Gonzalez und andere Überlebende der Schießerei von Florida rufen darum zu einem Marsch auf Washington am 24. März auf, dem Columbine-Jahrestag. Mit diesem "Marsch für unsere Leben" in der US-Hauptstadt und weiteren Aktionen wollen sie ein Umdenken in der amerikanischen Gesellschaft, vor allem aber in der Politik bewirken. Ziel der Jugendlichen ist es, strengere Waffengesetze durchzusetzen. Sie wollen zugleich das politische Klima verändern. Der Schüler Cameron Kasky richtete etwa die Facebook-Seite "Never again" ein, sie hatte am Montag bereits 68.000 Abonnenten. "Es geht nicht gegen die Republikaner, es geht nicht gegen die Demokraten", sagte Kasky, vielmehr sei jeder Politiker, der Spendengelder von der NRA annehme, "für solche Ereignisse verantwortlich".

Im Internet unterschrieben bis Montag außerdem mehr als 56.000 Menschen die Online-Petition der 15-jährigen Lane Murdock, die dazu aufruft, am 20. April gegen Waffengewalt aus den Klassenzimmern auf die Straßen zu gehen. Die Politiker seien gleichgültig, "wir sind diejenigen, zu denen die Schützen in die Klassenräume kommen", beklagt Murdock.

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Die heute 14- bis 18-Jährigen sind gewissermaßen mit dem Bewusstsein, dass Schulattentate geschehen können, aufgewachsen. "Schulschießereien sind leider Teil ihres Lebens, seit sie geboren wurden", sagte der Psychologe Mark Seery der ZeitungUSA Today. Die Parkland-Schüsse könnten sie dazu bewegen, "erstmals für etwas zu kämpfen, denn diese Tragödie berührt sie auf reale und persönliche Weise".

Trump redet lieber über FBI

US-Präsident Donald Trump ordnete in der Vorwoche zwar landesweite Trauerbeflaggung an und sprach den Opfern und ihren Familien sein Beileid aus, von einer Verschärfung des Waffenrechts wollte er bisher nichts wissen. Trump hatte vor einem Jahr sogar selbst ein Gesetz unterzeichnet, das psychisch Kranken den Erwerb von Waffen wieder erlaubte. Er nahm damit eine Verordnung des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama zurück.

Nach den Todesschüssen am 14. Februar sagte Trump nun, man wolle sich des Themas psychischer Erkrankungen annehmen. Der Schütze, der 19-jährige Nikolas Cruz, hatte unter Mitschülern und Nachbarn als auffällig gegolten. Unter einem Youtube-Video soll er gepostet haben: "Ich werde ein professioneller Schul-Schütze sein."

Nachdem das FBI eingeräumt hatte, Hinweise auf Cruz' Gefährlichkeit nicht weiter verfolgt zu haben, schoss Trump sich auf die Behörde ein. Beobachter werten dies als Manöver, um die Ermittlungen zur Russland-Connection des Präsidenten durch den FBI-Sonderermittler Robert Mueller zu diskreditieren.

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150.000 Schüler betroffen

Statt auf weniger Waffen setzen die USA bisher auf mehr Kontrollen an den Schulen. Nach dem Massaker von Columbine hatten die Behörden mit Metalldetektoren und sogenannten "Safety Drills" (Sicherheitsübungen) reagiert, doch die Waffenlobby blieb mächtig. US-Bürger können immer noch leicht zu Waffen kommen. Laut Washington Post gab es seit Columbine mindestens 170 Mal Schüsse an Schulen. Davon betroffen waren mehr als 150.000 Kinder.

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Die junge Aktivistin Emma Gonzalez hofft, dass ihre Generation nun die Waffendebatte in neue Bahnen lenken kann. "Wir wollen, dass das aufhört. Es muss aufhören. Wir schützen Waffen doch mehr als Menschen", sagte sie am Wochenende. Sie spielt auch eine zentrale Rolle in der Organisation des "Marsches für unsere Leben". Politiker und Vertreter jedes Spektrums lade sie ein, sich der Bewegung anzuschließen. "Wir wollen nur niemanden, der von der NRA gesponsert wird", sagte sie. "Wir wollen Leute, die in der Geschichte auf der richtigen Seite stehen." Dass ihr persönliches Engagement in den kommenden Monaten verebbt, ist unwahrscheinlich. Im Gespräch mit derNew York Timessagte die Überlebende des Parkland-Massakers: "Dies ist jetzt meine ganze Welt."

Weißes Haus verspricht Treffen

Unter dem Eindruck der Schülerproteste für strengere Waffengesetze hat die US-Regierung ein Treffen von Trump mit Schülern und Lehrern angekündigt. Geplant sei eine Begegnung am Mittwoch, bei der es darum gehe zuzuhören, teilte das Präsidialamt mit. Ob an dem Treffen Schüler der Marjory Stoneman Douglas High-School teilnehmen, teilte das Präsidialamt nicht mit.

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