Chronik/Welt

United Airlines: Rausgeworfener Passagier ernsthaft verletzt - Klage

Nach seinem gewaltsamen Rauswurf aus einer United-Airlines-Maschine will der Passagier David Dao die US-Fluggesellschaft verklagen. Das kündigten die Anwälte des 69-jährigen Arztes am Donnerstag an, dem unter anderem das Nasenbein gebrochen wurde. "Wir sind noch immer völlig entsetzt und schockiert über das, was meinem Vater widerfahren ist", sagte dessen Tochter Crystal Dao Pepper. Der Vorfall am Sonntag in Chicago hatte weltweit für Empörung gesorgt.

Der Mann wurde bei dem Vorfall ernsthaft verletzt. Dao erlitt nach Angaben seines Anwalts Thomas Demetrio eine Gehirnerschütterung. Außerdem seien ihm die Nase gebrochen und die Nebenhöhlen verletzt worden. Auch habe sein Mandant zwei Vorderzähne verloren.

"Entsetzlicher als Flucht aus Vietnam vor mehr als 40 Jahren"


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Der aus Vietnam stammende Dao habe ihm gesagt, der Rauswurf sei für ihn "entsetzlicher und grauenhafter" gewesen als vor mehr als 40 Jahren seine Flucht im Boot aus seinem Heimatland.

Dao wurde am Mittwochabend (Ortszeit) aus dem Krankenhaus entlassen, trat aber nicht zusammen mit seinen Anwälten bei einer Pressekonferenz in Chicago auf. Der Mediziner, der seit Jahren in den USA lebt, wurde durch eines seiner fünf Kinder vertreten, die 33-jährige Crystal Dao Pepper.

Anwälte forderten Videos von Überwachungskameras an

Daos Anwälte beantragten bei einem Gericht in Chicago die Herausgabe der Aufzeichnungen durch die Überwachungskameras aus dem Flugzeug, die Listen der Passagiere und Besatzung sowie von weiterem Beweismaterial. Die geplante Klage solle eine internationale Debatte darüber anstoßen, wie Flugpassagiere behandelt würden, sagte Demetrio. "Seit langem behandeln uns die Fluggesellschaft und United (Airlines) im Besonderen schlecht", beklagte er.

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Dao habe am Sonntag normal eingecheckt, und ein Crewmitglied habe ihm seinen Platz im Flugzeug gezeigt, heißt es in dem Schreiben der Anwälte. Danach sei er von Beamten der Stadt Chicago gewaltsam aus der Maschine geschleift worden, wobei er verletzt worden sei.

Auf im Internet kursierenden Handyvideos von Mitreisenden ist zu sehen, dass Dao mit dem Kopf gegen eine Sitzlehne stößt, als ein Polizist ihn von seinem Sitz zerrt. Der blutende und schreiende Mann wird dann durch den Gang zum Ausstieg geschleift, auch die anderen Insassen reagieren schockiert.

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Derweil mussten sich Vertreter von United Airlines einer Befragung im Stadtrat von Chicago stellen. Die für Unternehmensangelegenheiten verantwortliche United-Managerin Margaret Smith versicherte, es werde "diese Art von Situation wird nie wieder an Bord einer unserer Maschinen" geben. Es sei ein Fehler gewesen, dass die Fluglinie so lange mit einer Entschuldigung gebraucht habe.

United-Chef Oscar Munoz veröffentlichte erst am Dienstag - fast 48 Stunden nach dem Rauswurf Daos - eine offizielle Entschuldigung. "Niemand sollte so behandelt werden", betonte Munoz. Der Vorfall sei "wirklich schrecklich". United Airlines übernehme die Verantwortung dafür.

Maschine nicht überbucht

Bei der Befragung im Stadtrat stellte zudem der für den Flughafen O'Hare zuständige United-Manager John Slater klar, dass der Rauswurf Daos nicht aufgrund einer Überbuchung der Maschine erfolgt sei, wie von der Fluggesellschaft zunächst angegeben. Vielmehr hätten vier Passagiere den Flieger wieder verlassen sollen, um Platz für United-Angestellte zu machen, damit diese auf einem anderen Flug am nächsten Morgen arbeiten konnten.

Die US-Fluggesellschaft will nun alle Passagiere des Flugs 3411 in Höhe des Preises ihrer Tickets entschädigen, wie ein Unternehmenssprecher bestätigte.

Der Spott ließ nach dem Vorfall lange auf sich warten: US-Comedian Jimmy Kimmel griff die Story auf, unter anderem mit einem Video in der Art eines United-Werbespots. Es zeigt eine Stewardess, die lächelt und sagt: "Sie fliegen, wenn wir es sagen. Wenn nicht - Pech gehabt."

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Bei überbuchten Flügen sind in Österreich die Rechte von Flugreisenden durch eine EU-Verordnung geregelt. Diese greift, wenn Reisende von einem Flughafen innerhalb der EU abfliegen oder mit einer europäischen Airline in ein EU-Land reisen. Wenn eine Fluggesellschaft absehen kann, dass sie nicht alle Kunden befördern kann, muss sie zunächst nach Freiwilligen suchen, die vom Flug zurücktreten.

Airlines bieten dafür in der Regel attraktive Gegenleistungen, Fluggäste können aber auch selbst über diese verhandeln. Findet die Fluggesellschaft dennoch nicht genügend Freiwillige, kann sie sich entscheiden, bestimmte Reisende nicht zu befördern. Diese haben dann nicht nur Anspruch auf eine Erstattung des Ticketpreises oder einen Ersatzflug, sondern auch auf eine Schadenersatzpauschale, je nach Flugdistanz zwischen 250 und 600 Euro.

Außerdem müssen die Fluggesellschaften den Reisenden bei langen Wartezeiten Erfrischungen, Mahlzeiten und Kommunikationsmöglichkeiten bieten sowie gegebenenfalls für Übernachtungen aufkommen. Diese Rechte gelten aber nur für Kunden, die rechtzeitig und mit gültigem Ticket am Schalter sind.

Ein Polizist des Flughafens Chicago hatte einen Passagier der United Airlines am Sonntag (Ortszeit) aus einem überbuchten Flugzeug geschleift, weil dieser nicht hatte aussteigen wollen. Mit dem brutalen Rausschmiss hat sich die US-Fluggesellschaft heftige Kritik in den Online-Netzwerken und Boykottaufrufe eingehandelt. Das Unternehmen hat sich mittlerweile entschuldigt und werde "den Fall untersuchen".

Ausnahmezustand wegen eines überbuchten Flugs: Beamte der Flughafenpolizei zerren einen schreienden Passagier gewaltsam aus seinem Sitz, dann wird der Mann - begleitet von entsetzten Reaktionen anderer Fluggäste - an Armen und Beinen aus der Maschine geschleift. "Oh nein! Das ist falsch, seht doch, was ihr ihm angetan habt!", ruft eine aufgebrachte Sitznachbarin.

Die Szene, in Handy-Videos eingefangen und im Internet veröffentlicht, setzt die US-Fluggesellschaft United Airlines unter Druck. Dabei versucht das Unternehmen seit längerem, seinen ramponierten Ruf aufzupolieren.

Eigentlich wollte United zum Wochenauftakt mit positiven Neuigkeiten beeindrucken. Die Verspätungen gingen zuletzt deutlich zurück, wie der Konzern am Montag mitteilte. Doch zu diesem Zeitpunkt sind keine Zahlen gefragt, sondern Krisen-Management. Denn der rabiate Rauswurf des Passagiers, der am Sonntag vor einem Flug von Chicago nach Louisville geschah, entwickelt sich zum PR-Albtraum. Eines der Videos von dem Vorfall wird bei Facebook fast 20 Millionen Mal aufgerufen. Auf United hagelt es Kritik, nicht nur online.

Die erste Reaktion von Vorstandschef Oscar Munoz scheint die Empörung sogar noch zu steigern. Der Top-Manager entschuldigt sich zwar, bringt allerdings lediglich sein Bedauern darüber zum Ausdruck, dass "Kunden umplatziert werden mussten" - kein Wort zum groben Vorgehen, bei dem der Passagier am Kopf verletzt wurde. Und es kommt noch dicker: US-Medien zitieren ein internes Mail von Munoz, in der er den Rausschmiss verteidigt habe. Der Passagier habe nicht kooperiert, deshalb sei es nötig gewesen, die Flughafenpolizei zu rufen.

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Mit dem Schlagwort "Boycotunited" (boykottiert United) wird in sozialen Netzwerken zum Widerstand aufgerufen. Viele fragen: Was kann der Passagier für die Überbuchung? Viele Airlines, nicht nur in den USA, kalkulieren diese Situationen bewusst ein. In der Regel suchen sie dann nach Freiwilligen, die ihren Platz räumen, und helfen nach, indem sie Geld, Rabatte oder Freiflüge bieten. Das tut auch United bei dem besagten Flug, doch das Angebot findet keinen Anklang. Zusätzlich angeheizt wird der Ärger dadurch, dass die Plätze für eine Ersatz-Crew und nicht für andere Reisende benötigt werden.

Der Spott lässt nicht lange auf sich warten: US-Comedian Jimmy Kimmel greift die Story auf, unter anderem mit einem Video in der Art eines United-Werbespots. Es zeigt eine Stewardess, die lächelt und sagt: "Sie fliegen, wenn wir es sagen. Wenn nicht - Pech gehabt." Dann zeigt sie ihre mit Schlagringen bewehrten Fäuste.

Am Dienstag veröffentlichen Anwälte des betroffenen Fluggasts ein Statement - nach Angaben des US-Senders CNBC heißt es darin, dass die Familie sich für die Anteilnahme und Unterstützung bedanke. Man konzentriere sich nun darauf, dass die Verletzungen behandelt würden und bitte darum, die Privatsphäre zu wahren.

Auch in China ist der Aufschrei groß, denn der Passagier, der aus der Maschine geworfen wurde, soll chinesischer Abstammung sein. Für United ist China ein wichtiger Markt, auch die Anleger werden nervös. Die Aktie sinkt am Dienstag zeitweise um mehr als vier Prozent.

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Die Affäre zieht Kreise bis ins Weiße Haus. Der Sprecher des US-Präsidenten, Sean Spicer, spricht in einer Pressekonferenz auf eine Frage hin von einem "unglücklichen Vorfall" - und ja, er denke, Trump habe sich das Video angeschaut. Andere Politiker fordern Aufklärung von United und besseren Schutz für Passagiere durch das Verkehrsministerium. Spätestens nun dürfte United-Boss Munoz klar sein, dass die Sache so einfach nicht abgehakt werden kann. Am späten Dienstagnachmittag (Ortszeit) meldet er sich erneut zu Wort.

"Es ist nie zu spät, das Richtige zu tun", heißt es im zweiten Statement des Airline-Chefs. Munoz spricht - zwei Tage nach dem Vorfall - nun doch von einem "wirklich schrecklichen Ereignis", das sich nie wiederholen werde. Kein Passagier solle derart schlecht behandelt werden.

Dabei ist es nicht lange her, dass United auch in einem anderen Fall Negativschlagzeilen gemacht hatte. Ende März wurde das Unternehmen kritisiert, weil die Fluggesellschaft zwei Teenagern den Einstieg ins Flugzeug verboten hatte. Begründung damals: Sie trugen Leggings.

Der Rauswurf in Chicago aber hat eine andere Dimension. Schon seit der von Experten als verpfuscht angesehenen Fusion mit dem US-Rivalen Continental im Jahr 2010 gab es Probleme. Von Mängeln im Reservierungssystem und Computerpannen, die zu vielen Flugausfällen führten, über Imageschäden wegen fehlender Rollstühle an Bord, bis hin zu einem Korruptionsskandal, der Munoz' Vorgänger den Job kostete. Vor diesem Hintergrund war die bei vielen US-Kunden als Inbegriff von schlechtem Service geltende Airline gerade erst auf dem Wege der Besserung. Die neue Affäre kommt für United zur Unzeit.