Chronik/Welt

NASA-Chef: "Ich glaube an Leben da draußen"

Der Mann kann mit Kindern: Als der NASA-Administrator, Charles Frank Bolden Jr., dieser Tage bei einem Treffen des UN-Komitees für die friedvolle Nutzung des Weltraums in Wien weilte, hielt er auch einen Vortrag vor Kindern. Berichtete über das Gefühl der Schwerelosigkeit und wie man den Mars erobern will. Und hörte zu, als sie erzählten, was sie mit ihrem Leben vorhaben: „Vergiss deine Träume nicht, wenn du mal groß bist. Erwachsene neigen dazu, ihre Träume aufzugeben“, gab er ihnen mit auf den Weg.

Im KURIER-Interview sagt Bolden, dass all die Vorbereitungsarbeiten vor allem eines gezeigt hätten: „Was uns an Technik noch fehlt, um unsere Reise zum Mars erfolgreich zu machen.“

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KURIER: Der für 2030 geplanten Mars-Mission stehen einige Herausforderungen im Wege. Welche?

Charles F. Bolden: Da wäre der solare Hochspannungsantrieb. Den verwenden wir zwar seit Jahrzehnten. Aber wir brauchen mehr Power, um tatsächlich jemanden auf die Mars-Oberfläche zu bringen. Wir sprechen von Größenordnungen, die fünf bis zehn Mal größer sind als das, was wir derzeit haben. Das Problem dabei ist die Größe der Solarzellen. Wir tüfteln herum, wie man sie so konstruieren kann, dass sie kompakt zusammengefaltet in die Nase einer Rakete passen. Außerdem beschäftigt uns die Verbesserung der Lebenserhaltung für eine derartige Mission – ein System, das Luft, Wasser und Abfall für die Crew aufbereitet. Jenes, das wir derzeit auf der ISS verwenden, ist gut genug für eine Space-Station, aber nicht annähernd ausreichend robust für einen Trip zum Mars.

Warum?

Wegen der langen Zeit, die es funktionieren muss. Und weil es einfach kompliziert ist, Körperflüssigkeiten ständig wieder in Trinkwasser umzuwandeln und Luft aufzubereiten. Und, und, und ... Sie können das alles nun einmal nicht mitnehmen – es wäre zu schwer.

Haben Sie schon eine Idee, wie groß ein Raumschiff für eine Mars-Mission sein müsste?

Wir haben eine genaue Vorstellung, wie groß das Volumen sein muss, um einen Menschen zu versorgen. Für eine Asteroiden-Mission bräuchten wir wohl ein Vehikel, das 70 Tonnen Gepäck transportieren kann. Um zum Mars zu fliegen, müssten es 150 Tonnen sein.

Astronauten sollen also auf einem Asteroiden landen?

Ja, so lernen wir, wie Missionen außerhalb der erdnahen Umlaufbahn funktionieren könnten. Man darf ja nie vergessen, dass wir – abgesehen von den Reisen zum Mond – noch nie außerhalb der niedrigen Erdumlaufbahn agiert haben. Also: Sechs Missionen zum Mond haben uns nicht jene Erfahrungen gebracht, die wir brauchen, um zum Mars zu kommen. Auf der ISS lernen wir zwar jeden Tag mehr darüber, wie Leben und Arbeiten im All funktionieren kann. Aber es ist etwas ganz anderes, zwei Jahre lang – wie bei einem Marsflug – von der Familie getrennt zu sein. Es wird keine Möglichkeit geben, den Telefonhörer zu nehmen und anzurufen – etwas, das auf der ISS problemlos geht. Die Zeitverschiebung Mars–Erde beträgt sieben Minuten – one way! Ein Astronaut bräuchte also viel Geduld und es ist fraglich, ob er bereit ist, ewig vor der Kamera zu sitzen und zu warten, ob er eine Antwort auf seine Frage bekommt.

Man hört, dass Sie über eine ISS 2 oder ISS 3 nachdenken, um mehrere Anlaufstellen im All zu haben. Stimmt das?

Nein, aber wir müssen entscheiden, was mit ISS 1 passieren soll. Wir sind uns einig, dass die ISS mindestens bis 2020 betrieben werden sollte. Aber danach? Eine Analyse hat ergeben, dass die Station wohl bis 2028 funktionieren wird.

Sie sind derzeit hauptsächlich mit administrativen Dingen beschäftigt. Vermissen Sie Ihr Astronauten-Leben?

Sie meinen, ob ich es vermisse, ins All zu fliegen? Nein! Würde ich es wieder tun? Ja!

Aber wie war es?

Das Fliegen ins All war geil! Es gibt zwei Dinge, die einen dabei beeindrucken: Schwerelos zu sein und die Erde von oben zu sehen. Das verändert den Blick aufs ganze Leben.

Die Aussicht ist also noch besser, als die Fotos es ver­muten ließen?

Unglaublich viel besser.

Es gibt Fotos, die Sie zeigen, als der Mars-Roboter Curiosity eben gelandet war. Sie sahen richtig glücklich aus ...

... war ich auch. Wir taten zwar so, als wären wir alle ganz ruhig, aber als er gut auf der Mars-Oberfläche war, waren wir sehr erleichtert.

Wie macht sich Curiosity?

Unglaublich gut. Wir wissen heute viel mehr über die Strahlungsverhältnisse, auch zwischen Mars und Erde. Auf dem Mars selbst scheint die Strahlenbelastung etwas schwächer zu sein als bisher gedacht. Das heißt, wir brauchen bei einer bemannten Mission weniger Schutz.

Reicht das Wissen aus unbemannten Missionen schon, um Menschen hinzuschicken?

Wir brauchen noch eine Weile. Und weitere Missionen – eine startet im November. Maven wird uns mehr über die höhere Mars-Atmosphäre lehren. Als wir Curiosity landeten, haben wir ja unsere sieben Minuten der Angst erlebt. Denn wir mussten in und durch eine Atmosphäre, von der wir absolut nichts wussten. Maven wird dieses Wissensdefizit beseitigen. Wenn wir das nächste Mal ein Landefahrzeug runterschicken, werden wir schon viel mehr über die Umgebung wissen.

Erstmals seit vier Jahren gibt es auch wieder Astronauten-Anwärter ...

... ja, wir haben eben die 21. Astronauten-Klasse vorgestellt. Aus 6100 Bewerbern wurden acht ausgewählt, alle sind Wissenschaftler oder Ingenieure.

Ist das schon die Generation Mars?

Ja, sie sind im Schnitt 36 Jahre alt. Wenn wir wirklich in den 2030er-Jahren am Mars sind, werden sie im besten Astronauten-Alter sein.

Glaubt der Chef der NASA eigentlich an Außerirdische?

Ich glaube, dass es Leben da draußen gibt, aber ich habe keinen Beweis dafür. Einer der Gründe, warum wir zu den Orten fliegen, zu denen wir eben fliegen, ist der Versuch, die Alien-Frage zu klären. Wenn es Leben gibt, wie schaut es aus? Können wir an diesen Orten ebenfalls überleben? Egal, wohin wir fliegen, die Frage nach einer lebensfreundlichen Umgebung hat Priorität.

1946 in Columbia/ South Carolina geboren. War der 12. NASA-Administrator Generalmajor der Marineinfanterie und als Flieger in Südostasien stationiert. 1980 bewarb sich der studierte Elektrotechniker als Astronaut. Zwischen 1986 und 1994 flog Bolden mit dem Space Shuttle vier Mal ins All.

2009 ernannte ihn Barack Obama zum NASA-Chef. Als solcher verantwortet er sämtliche Missionen und künftigen Ziele der US-Weltraumagentur. Bolden ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.