Nach Mord an Ehefrau Öffentlichkeit genarrt
Von Danny Leder
Fast alle drei Tage wird eine Frau in Frankreich von ihrem Gefährten getötet. Aber jetzt gelangte ein derartiger Fall sogar auf die Titelseiten der meisten Tageszeitungen des Landes. Wobei gewisse Aspekte an die Debatte rund um einen Prozess kürzlich in Wien erinnern.
Vor drei Monaten wurde ein teilweise verkohlter Leichnam in einem Wald nahe der ostfranzösischen Kleinstadt Gray geborgen. Es handelte sich um Alexia Daval, eine 28-jährige Bankerin. Ihr Mann, Jonathann, ein 34-jähriger IT-Techniker, hatte zuvor Alarm geschlagen, weil seine Frau "von ihrem Jogging" nicht zurückgekehrt sei. Der Hilferuf des schluchzenden Mannes bei einer von allen TV-Sendern übertragenen Pressekonferenz hatte die Öffentlichkeit erschüttert. Der anschließend konstatierte "Tod der Joggerin" wurde ebenfalls zu einer landesweiten Schlagzeile. Tausende nahmen an einem Trauermarsch teil, und wieder sah man Jonathann schluchzend, von den Eltern seiner Frau gestützt, die ihm bis zuletzt vertrauten und ihn sichtlich liebten.
Scheinbar untröstlich
Nun aber gestand Jonathann, nach 20-stündigem Polizeiverhör, er habe Alexia im Zuge eines Streits getötet. Diese plötzliche Wende hat umso mehr geschockt, als die breite Anteilnahme nicht zuletzt dem scheinbar untröstlichen Ehemann gegolten hatte.
Alexia hatte sich, wie inzwischen fest steht, gewehrt, als ihr Mann sie zu Tode würgte. Dieser hatte sie anschließend mit ihrem Jogging-Outfit bekleidet, verbrannt und im Wald vergraben. Aber der Anwalt des Täters erklärte in den Medien, dass es sich um einen "Unfall" gehandelt habe. Jonathann sei "kein schlechter Mann", sondern ein "wunderbarer Bursch", den man nun für "drei, vier Sekunden seines Lebens" verurteilen würde. Hingegen sei Alexia eine "erdrückende Persönlichkeit" mit "seltsamen Verhaltensweisen" (Medikamenten-Einnahme) gewesen, die ihren "schweigsamen" Mann "gedemütigt und erniedrigt" habe.
Zu "Monster" gemacht
Damit hat auch in Frankreich die Debatte über die Täter-Opfer-Umkehr bei Gewalt gegen Frauen voll eingesetzt. In Wien hatte kürzlich Rosa Logar, Geschäftsführerin der Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie, konstatiert, dass selbstbewusste und zielstrebige Frauen in Gerichtsverfahren schnell zu "Monstern" gemacht würden, die nur "Karriere und Dominanz" im Sinn hätten, was wiederum die gegen sie ausgeübte Gewalt "rechtfertigen" solle (mehr dazu hier). Und fast wortgleich ortete jetzt in Frankreich die Staatssekretärin für Gleichberechtigung, Marlene Schiappa, ein Paradebeispiel für "Victim-Blaming" (Verantwortlichmachen eines Opfers für sein Schicksal): "Bei jedem Fall von sexistischer Gewalt, oder wie hier bei einer getöteten Frau, findet man Gründe, die rechtfertigen würden, dass die Frau zum Opfer wurde".