Franzosen stellen sich auf Streikwelle ein
Von Danny Leder
Es sind die beiden schärfsten Waffen, die ein Großteil der französischen Gewerkschaften nunmehr gegen die Arbeitsmarkt-Reform der sozialistischen Staatsführung einsetzen: landesweite Lkw-Blockaden und ab Mittwoch Bahnstreiks – unbefristet.
Von der nordfranzösischen Metropole Lille über die westfranzösischen Atlantik-Häfen bis hin zur Industrieregion bei Marseille gab es Dienstag überall ähnliche Szenen: Zufahrtsstraßen zu Handelsdepots und Industriegebieten wurden durch quergestellte Lastzüge, aber auch Baukräne und Walzmaschinen gesperrt. Rauchschwaden erhoben sich von brennenden Reifen, die die Gewerkschaftsaktivisten auf dem Asphalt gestapelt hatten.
Kein Sprit mehr
In der Hafenstadt Le Havre hatten sich die Docker der Bewegung angeschlossen und gemeinsam mit Fernfahrern auch die Raffinerie abgeriegelt. Schon am Dienstagvormittag hatten die ersten Tankstellen keinen Sprit mehr.
Von dieser überraschenden Mobilisierung der Dienstnehmer der Frächter erhoffen sich die linken Gegner der Arbeitsmarkt-Reform einen neuen Elan im nunmehr zweimonatigen Kräftemessen mit der SP-Regierung. Ihre letzten Demonstrationen hatten weniger Zulauf und wurden stellenweise von gewalttätigen Jugendgruppen geprägt, die Verwüstungen anrichteten und Angriffe auf die Polizei starteten. Als Reaktion auf diese Attacken werden heute, Mittwoch, Polizisten in Paris eine eigene Demonstration gegen den "Anti-Polizisten-Hass" organisieren.
Außerdem versuchte die SP-Regierung, einen Schlusspunkt zu setzen, indem sie am letzten Donnerstag das neue Arbeitsgesetz im Nationalrat durchbrachte – allerdings unter Zuhilfenahme eines Sonderparagrafen (die Regierung stellte die "Vertrauensfrage"), mit dem eine direkte Abstimmung über das Gesetz vermieden und der Widerstand des linken SP-Flügels umgangen wurde.
Nun verfügen die Fernfahrer mit ihren Brummis nicht nur über ein maximales Schadenspotenzial, sondern verdeutlichen die Gefahren, die laut Gewerkschaften in dem neuen Arbeitsgesetz schlummern: Es erlaubt unter gewissen Bedingungen innerbetriebliche Vereinbarungen über Arbeitszeiten und Entlohnung, die gegenüber Kollektivverträgen oder Gesetzen Vorrang hätten – darunter die Möglichkeit, den Überstundenzuschlag von derzeit 25 bis 50 Prozent des normalen Stundenlohns auf 10 Prozent zu reduzieren. Die Lkw-Fahrer leisten viele Überstunden und befürchten daher empfindliche Einkommensverluste.
Hollande bleibt hart
Präsident François Hollande bekräftigte aber, dass er nicht nachgeben werde: "Lieber will ich als ein Verantwortlicher für unpopuläre Reformen in Erinnerung bleiben als ein Präsident der Untätigkeit." Das Gesetz sei ein ausgewogener Kompromiss zwischen Arbeitnehmern und Unternehmern, beteuerte Hollande und verwies auf die Zustimmung der moderaten Teile der Gewerkschaften.