Chronik/Welt

Klimawandel: Der Pazifik-Puffer

„Pause beim Klimawandel: Kühler Pazifik bremst globale Erwärmung“, titelte Spiegel online unter Bezugnahme auf eine aktuelle Nature-Studie.

Schön wär’s. Gute Nachrichten hätten die Menschen, vor allem jene in den bedrohten Inselstaaten im Pazifik, bitter nötig. Weniger Hurrikane, keine neuen Hitzerekorde im Sommer, ein riesiger Puffer, der uns erlaubt so weiterzumachen wie bisher. Nur macht der Klimawandel nicht einmal eine kurze Unterbrechung, erläutert Herbert Formayer vom Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit.

Das derzeit ungewöhnlich kühle Oberflächenwasser des tropischen Pazifiks kühlt die atmosphärische Luft und trägt zur Abflachung der Temperaturkurve bei.

Denn richtig ist: In den vergangenen 15 Jahren stiegen die globalen Temperaturmittel nicht in dem Ausmaß, den man aufgrund der Treibhausgas-Emissionen eigentlich annehmen müsste. Gleichzeitig hat die US-Ozeanforschungsbehörde NOAA errechnet, dass die Wassertemperatur in den oberen 2000 Metern in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist. Die Abkühlung der Weltmeere im Allgemeinen und insbesondere des Pazifiks spielt sich in den oberen 700 Metern ab. Diese oberen Schichten werden stärker von anderen, kühleren Strömungen beeinflusst, die ebenfalls zur Abkühlung beitragen. „Der Pazifik bremst die globale Erwärmung nicht, er puffert sie lediglich, die zusätzliche Energie aus der Erderwärmung wird in tiefere Schichten umgeleitet.“

Dünnes Mess-Netz

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Wie passt das zusammen? Zum einen ist es eine Frage des Messverfahrens. Die harte Währung der Klimaforscher ist die mittlere Lufttemperatur, die zwei Meter über dem Boden bzw. dem Meeresspiegel gemessen wird, von meteorologischen Stationen und Satelliten. „Der Energiegehalt der Ozeane wäre das bessere Maß für den Klimawandel, nur ist er sehr schwer zu messen.“ Die Erklärung: Das Netz an Messbojen ist zu dünn, um über Energiegehalt und -transport der Weltmeere Aussagen zu treffen.

Die Erwärmung der Weltmeere gehört zu den schwerstwiegenden langfristigen Konsequenzen des Klimawandels. Ein Drittel des gegenwärtigen Anstiegs des Meeresspiegels geht auf die Erwärmung der Meere und die damit einhergehende Volumens-Zunahme zurück. Abschmelzende Gebirgsgletscher tragen derzeit ein weiteres Drittel zum Anstieg des Meeresspiegels bei. Bis zum Jahr 2100 werden sie die Meere allerdings nur um mehrere Zentimeter steigen lassen. Gefährlicher ist das Eisschild Grönlands. Bisher trägt es nur sehr wenig bei, doch seine Oberfläche schmilzt stärker denn je ab. Im Grönland-Eis ist genug Wasser gespeichert, um die Meere insgesamt 7,50 Meter steigen zu lassen, berichtet National Geographic. Ungewiss ist auch die Zukunft der Antarktis.

Herbert Formayer ist ein gefragter Experte zur Erderwärmung. Zuletzt erschien sein Buch „Weinbau und Klimawandel“ im Verlag der Akademie der Wissenschaften.

KURIER: Der Pazifik kühlt die Luft auf der Erde, überrascht Sie das?

Formayer: Dass die Ozeane große Puffer-Systeme sind, die den Anstieg der Temperaturkurve bremsen, vermutet man schon lange. Wir wissen allerdings nicht genau, warum der Pazifische Ozean kühler ist.

Reicht kühles Meerwasser, um das Abflachen der Temperaturkurve zu erklären?

Da kommen einige Faktoren zusammen. Die Sonnenaktivität ist wesentlich schwächer ausgeprägt als in den vergangenen 20, 30 Jahren. Der letzte starke El Niño – ein ungewöhnlich warmer Pazifik über einen Zeitraum von bis zu 1,5 Jahren – war 1998. Es gibt also derzeit keinen natürlichen Effekt, der besonders hohe Jahresmitteltemperaturen produzieren würde. Wenn sie zwei gegenläufige Schwankungen haben, kompensieren die den Anstieg durch den Klimawandel locker innerhalb eines Jahrzehnts.

Ist der Klimawandel also nur aufgeschoben?

An der physikalischen Wirkung der Treibhausgas-Emissionen ändert sich nichts. Wir führen Energie in einen Speicher, der derzeit an der Oberfläche keine Wirkung zeigt. Wenn die Meeresströmungen umdrehen, dann geht es mit der Oberflächenerwärmung weiter, sie wird vermutlich sogar verstärkt.