Chronik/Welt

Klassenkampf um Streifenhaus

Frau Lisle-Mainwaring hat sich in ihrer Nachbarschaft keine Freunde gemacht, als sie beschloss, ihr Haus im Londoner Nobelviertel Kensington rot-weiß-rot zu streichen.

Die noble Nachbarschaft war empört, selbst der Gemeinderat war außer sich, zog vor Gericht – und verlor. Am Montag entschied die Justiz, dass Frau Lisle-Mainwaring ihr Haus gestreift lassen dürfe. Ein Sieg für Lisle-Mainwaring und ihre tausenden Unterstützer aus der Mittelschicht. Die New York Times spricht von einem "Stellvertreterkrieg des Klassenkampfes". Offizieller Grund für den eigentümlichen Anstrich war Frau Lisle-Mainwaring zufolge, etwas zur "Freude der Nation" beizutragen: "Ich dachte, ich würde dadurch mich und das Straßenbild ein bisschen aufheitern. Ich hätte mir nie vorgestellt, dass es so einen Wirbel verursacht", gibt die wohlbetuchte Bauträgerin vor.

"Mein Vater hasst es"

Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass dies eine Racheaktion gegenüber der Nachbarschaft war, die ihr verboten hatte, das Haus abzureißen und ein neues, moderneres zu bauen.

Seither herrscht Groll in Kensington, wo neben russischen Oligarchen, Bankiers und Ärzten auch Prinz William und Kate wohnen. Einige besorgte Anrainer haben Angst, dass durch das gestreifte Haus die Grundstückspreise fallen könnten, andere finden es einfach nur hässlich: "Es sieht aus wie eine Mischung aus Zirkuszelt und Strandhütte. Mein Vater hasst es", sagt die 18-jährige Saskia Moyle gegenüber der Regionalzeitung Get West London.

Die Anklage ging durch alle Instanzen, ein Richter beschuldigte Lisle-Mainwaring, das Haus aus Groll angestrichen zu haben, diese zog vor das Höchstgericht und bekam Recht. Selbst bei Gerichtsverhandlungen provozierte sie ihre Gegner – etwa indem sie in einem gestreiften Anzug im Gerichtssaal erschien.

Momentan dient das Haus nur als Lagerfläche, wenn Frau Lisle-Mainwaring wieder dort einzieht, will sie jedoch die Streifen entfernen, sie bevorzuge jetzt Ziegel und farbige Fensterläden.