Chronik/Welt

Flüchtlinge als Nummer begraben

Die 387 Opfer von Lampedusa, darunter viele Kinder, junge Frauen und Männer, wurden mit Nummern und ohne Namen und Zeremonie in einer Blitzaktion auf Sizilien begraben. Das von der Regierung versprochene Staatsbegräbnis fand nicht statt.

Vor internationalen Kameras und in Begleitung hoher EU-Funktionäre hatte Premier Enrico Letta bei seinem Besuch auf der süditalienischen Insel Lampedusa vor mehr als zwei Wochen ein Staatsbegräbnis für die 387 Opfer angekündigt, die vorwiegend aus Eritrea und Syrien stammen. Die Realität sieht anders aus. In aller Eile, ohne jede Zeremonie, wurden die namenlosen Särge bestattet. Kinder, Ehepaare, schwangere Frauen, junge Männer, die auf eine bessere Zukunft in Europa gehofft hatten, liegen alle auf dem Friedhof der Namenlosen in Piano Gatta, an der Peripherie der südsizilianischen Stadt Agrigento.

„Vor Kurzem kamen 155 Särge aus Lampedusa. 85 Särge haben wir hier eingemauert, die anderen 70 wurden auf verschiedene Friedhöfe auf Sizilien verteilt“, erzählt der verantwortliche Bestatter Salvatore D’Anna am Eingang zu den im Rohbau befindlichen Grabkapellen. Und fügt hinzu: „Ich habe noch nie in meinem Leben so viele Särge auf einmal gesehen.“ Keine Zeremonie, keine Blumen, keine Besucher – nur anonyme Nummern, die mit schwarzem Filzstift auf grauen Beton notiert wurden. „Somit lässt man die Opfer zwei Mal sterben“, sagt eine Beobachterin.

Gedenkfeier

Nachdem angesichts der anonymen Bestattungen ein Aufschrei durch die italienische Presse gegangen war, kündigte das Innenministerium schließlich doch für den Montag eine Gedenkfeier am Hafen von Agrigento an.

Lampedusas Bürgermeisterin Giusi Nicolini ist bestürzt: „Wenn sie ihnen schon kein Staatsbegräbnis geben wollen, dann hätten wir wenigstens ein Inselbegräbnis organisieren können.“

"Nicht einmal Fisch-Container werden auf diese Weise verladen.“


Enzo Billaci, Fischerei-Verantwortlicher auf Lampedusa, wird die vielen weißen Kindersärge nie vergessen: „Als ich gesehen habe, wie die kleinen Särge in Vierer-Blöcken auf das Schiff gehievt wurden, brach mir das Herz. Nicht einmal Fisch-Container werden auf diese Weise verladen.“

Bei dem Unglück vor Lampedusa waren am 3. Oktober mindestens 387 Menschen ums Leben gekommen. Nur 155 der geschätzt rund 550 Bootsinsassen konnten gerettet werden.

Auf Sizilien sind am Sonntag erneut zahlreiche Bootsflüchtlinge aus Syrien und Ägypten eingetroffen. Unter den 254 Menschen sind 94 Kinder. Ihr völlig überfülltes Fischerboot wurde knapp 280 Kilometer südöstlich von Sizilien geortet und von drei Schiffen der Küstenwache in den Hafen von Syrakus begleitet. In das Schiff war bei rauer See bereits Wasser eingedrungen.

Laut Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR trafen in diesem Jahr bereits 32.000 Flüchtlinge in Italien und Malta ein. Viele stammen aus Eritrea, Somalia und Syrien. Rom und Valletta fordern mehr Unterstützung der anderen EU-Staaten.