Islamist mordete im Supermarkt
Von Susanne Bobek
Einige Kunden retteten sich in einen Groß-Kühlschrank im Supermarkt von Trèbes in Südfrankreich, als der Terrorist in den Markt stürmte. Sie schafften es, das Licht auszuschalten und zitterten eine Stunde lang vor Kälte, aber mehr noch davor, entdeckt zu werden. Dann gelang ihnen die Flucht durch einen Hinterausgang. Etwa 30 andere Kunden konnten durch den Ausgang hinter der Fleischtheke flüchten, sie versteckten sich dann in einer Autowerkstatt. Der Fleischhauer bezahlte mit seinem Leben.
Der neueste Terrorakt in Frankreich wurde von einem der Polizei bekannten und als Gefährder eingestuften Islamisten verübt, der nach vierstündiger Geiselnahme in einem Supermarkt erschossen wurde. Der 26-jährige Mann ist ein aus Marokko stammender Salafist, der offenbar auch schon nach Syrien gereist war. Laut Zeugen schrie er, dass die Menschen sterben müssten, weil Syrien bombardiert werde. Er berief sich angeblich auch auf die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Und: Er hatte die Freilassung des einzig überlebenden Paris-At tentäters Salah Abdeslam gefordert.
Drei Tote und mehrere Verletzte
Die erste Rekonstruktion des Tathergangs: Freitag Vormittag überfiel der Mann ein Auto in Carcassonne, dabei tötete er den Beifahrer durch mehrere Kopfschüsse und verletzte den Fahrer schwer an der Lunge. Danach habe er in der Nähe aus dem Wagen auf eine Gruppe Polizisten der CRS gefeuert, als diese gerade ihr Lauftraining absolvierte. Zur CRS gehören 61 dem Innenministerium unterstellte Sicherheitskompanien. Einer dieser Elite-Polizisten wurde an der Schulter schwer verletzt.
Dann raste der Attentäter mit dem gestohlenen Fahrzeug in die zehn Kilometer entfernte Ortschaft Trèbes, wo er um kurz 11.15 Uhr in den „Super U“-Markt stürmte, „Allahu Akbar“ brüllte und um sich schoß. Der Fleischhauer und ein Kunde wurden dabei so schwer verletzt, dass sie noch im Markt verbluteten.
Stundenlanger Nervenkrieg
Danach begann ein stundenlanges Tauziehen. Die Polizei konnte den Täter, der in Carcassonne wohnte, relativ rasch identifizieren und sogleich seine Familie befragen. Die Mutter des Attentäters und andere Verwandte wurden daraufhin zum Supermarkt nach Trèbes gebracht. Die Mutter sollte ihren Sohn zur Aufgabe überreden. Dem Verhandlungsführer der Polizei gelang es schließlich, dass eine Geisel im Austausch mit einem Polizeioffizier freigelassen wurden. Erst gegen 15 Uhr kam die Meldung, dass der Attentäter außer Gefecht gesetzt wurde: Erschossen. Der zuletzt als einzige Geisel festgehaltene Polizeioffizier wurde schwer verletzt, er hatte sein Handy so hingelegt, dass die Kollegen draußen mithören konnten.
Innenminister Gérard Collomb ging am Freitag davon aus, dass der Täter alleine gehandelt hat. Er sei wegen kleinerer Delikte bekannt gewesen. „Wir haben ihn beobachtet, aber dachten, es gäbe keine Radikalisierung“, sagte Collomb. Sowohl Präsident Emmanuel Macron als auch Premierminister Edouard Philippe sagten, dass alles auf einen Terrorakt hindeute. Macron befand sich gestern beim EU-Gipfel in Brüssel. Er zeigte sich gemeinsam mit der deutschen Kanzlerin Merkel „sehr bestürzt“.
Frankreich war in den vergangenen Jahren immer wieder zum Ziel islamistischer Anschläge geworden. Bei der letzten Attacke in Marseille waren am 1. Oktober zwei Menschen getötet worden. Allein 130 Menschen wurden bei der Anschlagsserie im November 2015 in Paris getötet. Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, starben 86 Menschen bei einer Terrorattacke in Nizza. Und am 17. Jänner 2015 starben beim Angriff auf das Satiremagazin Charlie Hebdo und bei weiteren Angriffen 17 Menschen.