Chronik/Welt

Historiker stellten Neuauflage von "Mein Kampf" vor

Rund 70 Jahre nach dem Ende der NS-Zeit haben Historiker die erste deutsche Neuauflage von Adolf Hitlers Hetzschrift "Mein Kampf" vorgestellt. Die fast 2.000 Seiten starke kritische Edition sei als eine "Gegenrede zu Hitlers Schrift" zu verstehen, sagte der Leiter des Editionsprojekts am Institut für Zeitgeschichte, Christian Hartmann, am Freitag in München.

"Dieses Buch war und ist ein Symbol, daran hat sich bis heute nichts geändert."


Die umfassend kommentierte Neuausgabe könne einem breiten Publikum verdeutlichen, dass es sich bei dem Buch "über weite Strecken um eine aggressive wie ordinäre Hasspredigt handelt", sagte Hartmann weiter. "Dieses Buch war und ist ein Symbol, daran hat sich bis heute nichts geändert."

Alle Inhalte anzeigen

Urheberschutz 2015 ausgelaufen

Das Buch müsse heute verstanden werden als "das gedankliche Zentrum einer menschenverachtenden wie mörderischen Ideologie, deren Verwirklichung schließlich in der größten Katastrophe endete, welche die Geschichte kennt", führte der Historiker aus.

Die deutsche Neupublikation des Buchs war möglich geworden, weil der Urheberschutz Ende 2015 ausgelaufen war. Nach Hitlers Tod waren die Schutzrechte für das Buch "Mein Kampf", das bis 1945 rund zwölf Millionen Mal in Deutschland gedruckt worden war, für 70 Jahre auf den Freistaat Bayern übergegangen, der die Zustimmung zu einer Neuauflage stets verweigerte.

"Konvolut der Unmenschlichkeit"

Dass "Mein Kampf" nun allenthalben ohne urheberrechtliche Einschränkung publiziert werden könne, habe die kritisch kommentierte Edition geradezu zwingend erforderlich gemacht, sagte der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte, Andreas Wirsching. Es wäre schlicht unverantwortlich, "dieses Konvolut der Unmenschlichkeit" kommentarlos zu veröffentlichen, "ohne ihm eine kritische Referenzausgabe entgegenzustellen, die Text und Autor gleichsam in die Schranken weist".

Der Institutsdirektor räumte ein, dass die Neuausgabe Unbehagen und Kritik hervorrufe - "insbesondere aus der Perspektive der Opfer des nationalsozialistischen Terrors". Es wäre aber "auch politisch-moralisch nicht zu vertreten und mit großen Risiken behaftet, in Sachen 'Mein Kampf' untätig zu bleiben", sagte Wirsching.

Alle Inhalte anzeigen

Hitlers Lügen enttarnen

Die Neuausgabe "enttarnt die von Hitler gestreuten Falschinformationen und seine Lügen". Sie sei ein "wissenschaftlicher Dienst an der Würde der Opfer" und trage zu einer "Entmystifizierung" der Hetzschrift bei.

Wirsching verwies in dem Zusammenhang auch auf das aktuelle Erstarken rechter Bewegungen in Europa. Derzeit drohten "entsprechende Denkhaltungen wieder salonfähig zu werden", warnte er. Deswegen sei es "erforderlich, die entsetzlichen Triebkräfte des Nationalsozialismus und seines tödlichen Rassismus zu erforschen, kritisch zu präsentieren und einer informierten Öffentlichkeit zur Diskussion zu überlassen".

Nach seinem Umsturzversuch im November 1923 hat Adolf Hitler während seiner Haft in Landsberg 1924 das Buch "Mein Kampf" geschrieben. Darin legte er seine politischen Ansichten und Pläne dar. Als fanatischer Antisemit war Hitler Anhänger der "Rassentheorie", die Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich entstand und in rechtsnationalen Kreisen in mehreren europäischen Ländern viele Anhänger hatte.

In dieser Weltsicht war die sogenannte "arische Rasse" - deren edelste Vertreter in Hitlers Weltanschauung die germanischen Völker waren - Begründer der menschlichen Kultur. Die Juden hätten eine "verderbliche Rolle in der Geschichte der Menschheit" gespielt.

Zunächst nicht ernst genommen

In der Hetzschrift sind die Grundlagen für Hitlers spätere Eroberungspolitik angelegt, wie manchen Gegnern Hitlers schon früh auffiel. Das Buch wurde zunächst aber aufseiten der demokratischen Parteien nicht ernst genommen. Der erste Band erschien im Juli 1925, der zweite folgte im Dezember 1926. Bis Herbst 1944 erreichte "Mein Kampf" eine Auflage von 12,4 Millionen Exemplaren, dann gab es keine Neuauflage mehr.

Die US-Militärregierung übertrug die Urheberrechte nach Kriegsende an den Freistaat Bayern, der seitdem eine Neuveröffentlichung verhindert. Die Urheberrechte liefen Ende 2015, 70 Jahre nach dem Tod des Diktators, aus.