Chronik/Welt

Harry Belafonte - Stimme gegen das Unrecht

Als Nelson Mandela einmal gefragt wurde, wer nach dem Bürgerrechtler Dr. Martin Luther King der wirkungsmächtigste Schwarze Amerikas ist, kam die Antwort ohne langes Zögern: Harry Belafonte.

Mit seinem Urteil stand die Ikone der südafrikanischen Anti-Apartheids-Bewegung nicht allein. Der als Harold George Bellanfanti Jr. im New Yorker Stadtteil Harlem geborene Sohn einer Putzfrau aus Jamaika und eines Schiffskochs aus Martinique ist das intakte Jahrhundert-Gewissen jenes Amerikas, das sich mit Unrecht und Ungerechtigkeit nicht abfinden will. Nichts lässt Belafonte verstummen. Heute feiert der begnadete Grenzgänger zwischen Politik und Kultur seinen 90. Geburtstag.

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Scharfe Worte

Belafonte hat die Krisen und Umbrüche des 20. Jahrhunderts oft aus der Poleposition erlebt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war er bei der Marine. Später stand er an der Seite von Martin Luther King an der Spitze der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, unterstützte Präsident John F. Kennedy und zog gegen die chilenische Diktatur und die Militär-Obristen in Griechenland auf die Straße. Der Völkermord an den Indianern, die Versklavung der Afrikaner, das Gemetzel in Vietnam – überall sah Belafonte den amerikanischen Drang am Werk, sich andere Völker zu unterwerfen.

Wo immer es ihm geboten schien, nahm der spätere UN-Sonderbotschafter die Regierenden in Washington unter Beschuss. George W. Bush wurde für ihn durch den Irak-Krieg zum "Terroristen". Den schwarzen Außenminister Colin Powell nannte er "Sklave der Regierung". Und nach dem Terror von 9/11 kam ihm das Heimatschutzministerium wie eine "amerikanische Gestapo" vor.

Dass man Harry Belafonte heute immer noch zuhört, dass seine Diskussionsabende vor allem an Universitäten überlaufen sind, gründet auf einer Popularität, die 60 Jahre lang gereift ist.

Banana Boat Song

1956 ließ der blendend aussehende Mann mit der Reibeisenstimme zum ersten Mal seine Erkennungsmelodie erklingen. "Day-o, day-ay-ay-o." Die ersten Takte im "Banana Boat Song" machten den bis dahin auf kleinere Film- und Theaterrollen beschränkten Künstler berühmt. Dass das Lied vom Mühsal der Hafenarbeiter handelt, die nächstens die Bananendampfer beladen und das Morgengrauen herbeisehnen, trat in den Hintergrund. Belafonte wurde als ewig strahlender Calypso-König vereinnahmt, der den täglichen Exotik-Bedarf samt Traum vom Eiland in der Sonne deckt.

Charlie Parker & Miles Davis

Aus seinem Erfolg als Sänger entstand lange vor Bill Cosby oder Michael Jackson die erste afro-amerikanische Karriere in Übergröße: Eigene TV-Show, ein Album mehr als eine Million Mal verkauft, blendend bezahlter Allrounder zwischen Bühne, Leinwand und Mattscheibe – in den 50er- und 60er-Jahren war Harry Belafonte "larger than life". Charlie Parker, Miles Davis und Marlon Brando bewunderten ihn. Und er sie.

Dass ihm die Kunst als Daseinszweck zu wenig war, hat der famose Geschichtenerzähler, der 2003 zum letzten Mal auf Tournee ging, früh bewiesen. Als das weiße Amerika Martin Luther King im Gefängnis dem Vergessen preisgeben wollte, zahlte Belafonte die Kaution. Bis zur Ermordung des Bürgerrechtlers pflegten beide eine enge Freundschaft. Belafonte hat den Leitspruch des Baptisten-Predigers bis heute beherzigt: "Schweigen ist Verrat."

Disco-Verbot in Linz

So schwieg er auch nicht, als ihm Anfang der 1980er-Jahre nach einem Konzert in Linz der Zugang zu einer Disco verwehrt wurde (die Garderobiere hatte ihn angeblich mit einem lokalbekannten Randalierer verwechselt). Nach Aufklärung des Missverständnisses sah Belafonte eine Tafel, wonach nur Gäste mit deutscher Muttersprache erwünscht sind, sagte "No" – und ging. Als Gast von Richard und "Mausi" Lugner besuchte er 1992 auch den Wiener Opernball und machte für seine Anliegen Werbung.

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Feindbild Trump

Nach dem Wahlsieg Donald Trumps sieht er die Früchte seiner Arbeit in Gefahr. Der in dritter Ehe mit der Fotografin Pamela Frank verheiratete Vater von vier erwachsenen Kindern rief Amerika dazu auf, alles zu tun, "damit Trumps Philosophie und Weltbild nicht überdauern". Er selber werde die Zeit, die ihm auf der Erde bleibe, dazu nutzen, den neuen Präsidenten "unwürdig" zu machen.

Vorher gibt es noch einmal Musik. "When Colors Come Together … the Legacy of Harry Belafonte", ein neu arrangiertes Best-of-Album, ist seit einer Woche in den USA im Handel.