Chronik/Welt

Handel mit CO2-Zertifikaten: Ziel verfehlt

Sagenhafte 23,7 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr – das sind 28 Prozent der gesamtösterreichischen Jahres-Emissionen – stößt das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde im Osten Deutschlands aus. Für diese Umweltsünde muss dessen Betreiber, der schwedische Vattenfall-Konzern, kaum etwas zahlen. Denn die CO2-Zertifikate, die eigentlich die klimaschädliche Braunkohle bestrafen sollten, kosten fast nichts mehr. Und Kohle ist viel billiger als das umweltschonendere Erdgas.

"Der CO2-Preis gibt das falsche Signal. Braunkohlekraftwerke sind derzeit lukrativer als Gaskraftwerke", kritisiert Wolfgang Anzengruber, Chef des heimischen Verbundkonzerns, das derzeitige -Handelssystem. Auch der Boss des deutschen Energiekonzerns E.ON, Johannes Teyssen, lässt kein gutes Haar an dem 2005 in der EU eingeführten Emissionshandel: "Ich kenne niemanden in Europa, der wegen dieses Handelssystems auch nur einen einzigen Euro investiert hat." Genau dieses Investitionen aber hätte sich die Politik erwartet.

Gescheitert

Ist der Emissionshandel also tot? "Nein", sagt Heiko Siemann, CO2-Handelsexperte der UniCredit in München. Im Gegenteil: Der Handel funktioniere. Es gebe aber ein derartig großes Überangebot an Emissionszertifikaten, dass der Preis stark verfallen sei. Nur noch 6,60 Euro kostet die Tonne Kohlendioxid zur Zeit. Etwa 20 Euro müsste sie kosten, damit Industrie und Kraftwerke einen Anreiz hätten in klimafreundlichere Technologien zu investieren, schätzt Siemann.

Auslöser für den Preisverfall war die Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Industrieunternehmen in der EU produzierten weniger und emittierten weniger . Sie hatten aber von ihren Regierungen gratis Emissions-Zertifikate bekommen, die in den Boomjahr 2007/’08 noch so knapp bemessen waren, dass die Experten dachten, die Unternehmen müssten Zertifikate teuer zukaufen. Tatsächlich aber hatten sie viel zu viele Zertifikate, die sie nun horten. Europaweit lägen CO2-Zertifikate für 1,5 Milliarden Tonnen Emissionen bei Industrieunternehmen und Kraftwerksbetreibern ungenutzt. Daher gebe es im Emissionshandel auch keine Nachfrage, betont Siemann.

Reform

2013 könnte sich aber einiges ändern. In der EU wird derzeit heiß diskutiert, wie das System reformiert werden könnte. Einige Experten drängen darauf, einfach Zertifikate aus dem Markt zu nehmen, um Engpässe und damit Preisanstiege zu erzeugen.

Sicher ist, dass alle Kraftwerksbetreiber in der EU ab 2013 keine Gratis-Zertifikate mehr bekommen. Sie müssen dafür zahlen. Die Regierungen müssen die Einnahmen daraus für den Klimaschutz verwenden.