Zehntausende Erdogan-Anhänger bei Demo in Köln
Überblick
- In Köln findet heute eine Demonstration von Erdogan-Anhängern statt.
- Um 16:00 Uhr waren laut Polizei rund 20.000 Menschen zur Demo erschienen, die Lage sei "ruhig".
- Die Polizei bereitete sich auf bis zu 30 000 Demonstranten und gewalttätige Ausschreitungen vor.
- Bei der Demo darf keine Rede des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan übertragen werden.
- Am Hauptbahnhof wurde eine Demonstration von rund 250 Rechtsextremen von der Polizei aufgelöst.
- Zeitgleich zur Pro-Erdogan-Demo finden mehrere Gegendemonstrationen statt, darunter eine Kundgebung der rechtsextremistischen Partei Pro-NRW.
In Köln hat am Sonntag die geplante Pro-Erdogan-Demonstration begonnen. Das Gelände am rechten Rheinufer im Stadtteil Deutz wurde von zahlreichen Polizisten bewacht. Insgesamt sind 2.700 Polizisten im Einsatz. Auch Wasserwerfer stehen bereit. Angemeldet sind vier Gegenkundgebungen, unter anderem von Rechtsextremisten.
Am Nachmittag haben sich bei der türkischen Demonstration rund 20.000 Menschen eingefunden, überwiegend Anhänger des umstrittenen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Die Mitveranstalter rechnen noch mit weitaus mehr Demonstranten. Bülent Bilgi von der Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) sagte, er rechne "mit 30.000 bis 50.000 Teilnehmern". Die Demonstranten reisten unter anderem auch aus Finnland, Belgien, Großbritannien, Österreich und der Schweiz an. Die UETP steht der türkischen Regierungspartei AKP nahe.
Zu der Kundgebung - deren offizielles Thema der vereitelte Militärputsch in der Türkei ist - war auch der türkische Sportminister eingeladen. Bis zuletzt gestritten wurde um eine Live-Schaltung zu Präsident Erdogan. Die Anmelder der Kundgebung riefen dazu am Samstag sogar noch das Bundesverfassungsgericht an. Sie wollten erreichen, dass das Verbot einer solchen Übertragung durch die Kölner Polizei gekippt wird.
Schweigeminute und "ruhige Lage"
"Die Lage ist relativ ruhig", sagte der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies der Deutschen Presse-Agentur. In der Innenstadt sei es zu kleineren Reibereien zwischen Nationaltürken und Kurden gekommen. Im Übrigen müsse man abwarten, wie es weitergehe, sagte Mathies.
Mit einer Schweigeminute gedachten die Teilnehmer der Pro-Erdogan-Kundgebung in Köln am Sonntag der Opfer des gescheiterten Militärputsches vor zwei Wochen in der Türke. Zugleich wurde der Opfer der jüngsten Terroranschläge in Frankreich, Deutschland und der Türkei gedacht.
Nach der Schweigeminute wurde eine Erklärung verlesen. Darin hieß es, man versammle sich, um für "Rechtsstaatlichkeit, Einheit, Frieden und Unabhängigkeit einzustehen". Die Erklärung haben laut mitveranstaltender Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) rund 100 Organisationen unterzeichnet, darunter auch der türkisch-islamische Dachverband Ditib und die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer. "Alle Staaten, Organisationen, Parteien und (...) Politiker der Welt" wurden aufgefordert, "solidarisch zum türkischen Volk" und der Regierung in Ankara zu stehen.
Sportminister: "Geschlossenheit gegen die Putschisten"
Die Großkundgebung ist nach Worten von Sport- und Jugendminister Akif Cagatay Kilic als Signal der Geschlossenheit gegen die Putschisten zu verstehen.
"Wir sind hier, weil unsere Landsleute in Deutschland für Demokratie und gegen den versuchten Militärputsch in der Türkei einstehen", sagte der in Deutschland geborene Minister am Sonntag vor Journalisten in der Rhein-Metropole. "Die Botschaft, die von der Veranstaltung ausgehen soll, ist, dass in der Türkei alle Parteien und NGOs (Nichtregierungsorganisationen, Anm.) zusammen gegen den Putsch stehen und die Demokratie verteidigen wollen."
Live-Schaltung zu Erdogan verhindert
Doch vergeblich: Die Karlsruher Richter bestätigten am Abend in letzter Instanz das Verbot. Zum einen entspreche die Vollmacht der Rechtsvertreter nicht den gesetzlichen Erfordernissen, hieß es. Zum anderen sei nicht ersichtlich, dass die Entscheidungen der Vorinstanzen Grundrechte der Veranstalter verletzt hätten. (Az.: 1 BvQ 29/16)
Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte zuvor erklärt, er wolle eine Zuschaltung Erdogans unbedingt verhindern, "um zu vermeiden, dass es zu einer hochemotionalisierten Lage kommt". Anders sieht es gemäß seiner Position der Sprecher des türkischen Präsidenten. Dass eine Live-Schaltung verboten wird, sei ein "inakzeptabler Zustand", sagte Ibrahim Kalin. Man frage sich, was der "wahre Grund" dafür sei, dass die deutschen Behörden eine Ansprache Erdogans an seine Anhänger verhindere.
Ausschreitungen werden befürchtet
Zeitgleich zu der um 15 Uhr beginnenden Kundgebung startete ein Demonstrationszug von Rechten durch die Innenstadt. Die Polizei hatte diesen Marsch untersagt, doch die Gerichte haben das Verbot aufgehoben. Hinter dem Demonstrationszug steht unter anderem die rechtsextremistische Splitterpartei Pro NRW. Die Polizei befürchtete Ausschreitungen.
Außerdem gab es noch drei andere Gegenkundgebungen. Eine davon richtete sich auch gegen den Aufzug der Rechtsextremisten. Die Polizei erwartete, dass dazu auch Autonome anreisen.
Türkischer Sportminister erwartet
Deutsche Politiker haben sich kritisch über einen Auftritt türkischer Minister in Köln geäußert. FDP-Chef Christian Lindner forderte die Bundesregierung auf, "alle rechtlichen und diplomatischen Möglichkeiten zu nutzen, um die Einreise dieser Politiker zu unterbinden".
Als Redner bei der Kundgebung wird unter anderem der türkische Sportminister erwartet. Einen geplanten Auftritt des türkischen Außenministers habe er verhindern können, sagte Mathies. Auf der Großkundgebung soll eine Deklaration verlesen werden. In der vorab veröffentlichten Erklärung wurde daran erinnert, dass bei dem gescheiterten Miliärputsch vom 15. Juli in der Türkei mehrere Hundert Sicherheitsbeamte und Zivilisten ermordet worden seien. "Sie haben ihr Leben im Kampf für die Demokratie und Freiheit in der Türkei gelassen", heißt es weiter in der Deklaration.
Kritik wurde in der Erklärung an der Berichterstattung über den Putschversuch geübt. Medien werden "einseitige und voreingenommene Berichte" vorgehalten, in denen "sogar Trauer" über den gescheiterten Putsch mitschwinge.
In der Erklärung wurden zugleich die jüngsten teils extremistischen Gewalttaten in Deutschland und Europa verurteilt. "Ganz gleich, aus welcher Motivation heraus diese abscheulichen Taten begangen wurden, sie sind eine Schade für unsere freie und friedliche Zivilisation."
In der Türkei gilt nach dem gescheiterten Putschversuch ein Ausnahmezustand. Nach offiziellen Angaben wurden zudem mehr als 18.000 Menschen festgenommen und Zehntausende Staatsbedienstete suspendiert.