Chronik/Welt

Piloten-Beruf: Image im Wandel

Hellfried Aubauer war 40 Jahre als Pilot – vor allem bei der AUA – aktiv. Seinem Sohn hat er abgeraten, in seine Fußstapfen zu treten. "Die Romantik des Berufes ist vorbei. Ich bin froh, dass mein Sohn lieber studiert hat."

In Filmklassikern sind Piloten noch als die adretten Herren mittleren Alters zu sehen, die von den Frauen umschwärmt werden. Einst war das wirklich ein schönes Leben, wenn man Aubauers Schilderungen zuhört: "Ich bin nach New York geflogen, dort eine Woche geblieben und dann ging es zurück. Danach hatte ich einige Tage frei. Beim Flug über den Nordatlantik habe ich die Schiffe angefunkt und mich mit den Kapitänen unterhalten. Manchmal haben wir mit Sextanten die Sterne vermessen." Romantik pur also. Damals absolvierten die Piloten maximal 45 Flugstunden pro Monat.

Ladepersonal

Heute ist es das Doppelte. "Bei Billigfluglinien müssen die Piloten auch mal die Fracht einladen oder das WC putzen", sagt Aubauer. Dazu kommen die Vorbereitungen auf den Flug. Laut Austro-Control sind 2000 Österreicher als Airline-Piloten aktiv.

"Jetzt sitzt ein Crewmitglied beim Atlantikflug im Cockpit und überwacht stundenlang die Technik. Im Fall des Falles muss er rasch reagieren", erklärt der ehemalige AUA-Chefpilot. Ein aktiver Kapitän meint, dass diese Fadesse sogar "derzeit die größte Gefahr im Luftverkehr ist. Ich freue mich über jeden Fluggast, der mich im Cockpit besucht und aus diesem Trott herausbringt."

Oft glauben Passagiere, dass die Piloten kurz nach dem Abheben noch wie wild an der Steuerung hantieren. Tatsächlich sind sie da mitunter bereits beim ersten Gang des Abendessens – und tippen die Flughöhe lässig mit dem Zeigefinger ein.

"Während die Technik immer besser wird, bleiben die Menschen gleich", sagt Aubauer, der als Sachverständiger Abstürze untersucht. Grundsätzlich sei ein System, das mehr Technik und weniger Mensch erfordert, sicherer. "60 bis 65 Prozent aller Abstürze von Linienflügen sind menschliche Fehler." Diese suchen die Piloten am seltensten bei sich selbst: "Viele Fluglinien haben Briefkästen aufgehängt, bei denen Piloten anonym Probleme melden können. Die sind immer leer", erklärt Aubauer. Zwar sei es vorgeschrieben, dass Auffälligkeiten bei anderen Crewmitgliedern gemeldet werden müssten – doch das tue niemand. "Nachher heißt es dann aus dem Umfeld: Na, dass der jetzt abgestürzt ist, hat mich nicht verwundert."

Beruhigung für die Fluggäste

Nach dem Absturz der Germanwings (mehr dazu lesen Sie hier) rücken die Piloten immer mehr in das Blickfeld der Passagiere, viele wünschen sich mehr Durchsagen der Herren und Damen der Lüfte. Am Mittwoch etwa begrüßte der Pilot eines Germanwings-Fluges von Köln nach Hamburg sogar jeden Fluggast persönlich, um ihn zu beruhigen. In sozialen Netzwerken wurde er daraufhin gefeiert.

Die Austrian Airlines verbot es ihren Piloten, mit dem KURIER bei diesen Recherchen über ihren Beruf zu sprechen. Ein Flugkapitän erzählte dennoch anonym über den Alltag. Laut seinen Angaben erhalten Co-Piloten im ersten Jahr 2981 Euro Brutto-Gehalt. Dieses steigt im 15. Berufsjahr auf 5731 Euro.

Mit der darin inkludierten Flugzulage, die etwa 40 Prozent ausmacht, werden die Nacht-, Wochenend- und Feiertagsdienste pauschal abgegolten. Ein Kapitän im ersten Jahr erhält 6527 Euro und später maximal 9642 Euro. Werden die Kosten der Piloten-Ausbildung dem Mitarbeiter von der Airline vorfinanziert, so wird ihm "dieser Kredit" abgezogen.

"Die Piloten im arabischen Raum, bei den Fluglinien Emirates oder Etihad, verdienen deutlich mehr als ein Pilot bei der AUA, bei Qatar-Airways sicher doppelt so viel." Es sei aber auch ein Anteil Schmerzensgeld dabei, da es einen Unterschied mache, ob er an einem freien Tag daheim oder mitten in der Wüste sei.

"Es ist aber nach wie vor mein Traumberuf, und das sehen auch die meisten meiner Kollegen so", betont der AUA-Linienpilot. "Es ist immer wieder wunderbar, in der Luft zu sein, die Karte in der Hand zu haben und zum Beispiel die Berge, die man überfliegt, anzuschauen. Es ist immer wieder eine Herausforderung – entweder aufgrund des Wetters oder wegen einer schwierigen topografischen Destination wie Innsbruck."

Lange Arbeitstage

Grundsätzlich gibt es für AUA-Piloten mitunter sehr lange Arbeitstage. Wenn jemand vier Starts und vier Landungen am Stück macht, dann kommen 12 bis 13 Arbeitsstunden zusammen. "Alleine wegen des Verdienstes ergreift man heute den Beruf nicht", sagt der Flugzeugführer. "Das war vielleicht früher, in den golden Zeiten der Luftfahrt, einmal so."

Das selbst fliegende Flugzeug wird noch lange auf sich warten lassenWährend selbstfahrende Google-Autos und U-Bahnen ohne Fahrer bereits unterwegs sind, ist der Pilot in der Luftfahrt nicht wegzudenken. Dabei spricht die Statistik gegen sie: Laut Boeing sind 80 Prozent der Zwischenfälle auf Pilotenfehler zurückzuführen. Bereits jetzt nimmt der Computer dem Piloten Routineaufgaben ab, wodurch die Flugsicherheit nachweisbar verbessert wurde. „Natürlich ist der Pilot heutzutage meist überwachend tätig, fliegen muss er oft nur wenige Minuten. Ohne ihn geht es aber trotzdem nicht und das wird noch lange so bleiben“, sagt Luftfahrt-Experte Kurt Hofmann gegenüber dem KURIER. Flugzeug-Hersteller wie Airbus und Boeing forschen zwar an autonomen Systemen, von der Serienreife sei man aber noch weit entfernt.

Die aktuelle Diskussion über den Einsatz von unbemannten Drohnen zeigt, dass der Gesetzgeber und die Bevölkerung den Technologien noch nicht genug Vertrauen schenken. So darf der Online-Versandhändler Amazon seine Lieferdrohnen in den USA nur unter strengen Auflagen testen. Autonom bedeutet aber nicht ohne menschliche Kontrolle. Ein ausgebildeter Pilot muss in einer Bodenstation den Flug überwachen. Auch mit einem entsprechenden Regelwerk dürften selbst fliegenden Flugzeuge vielen nicht zusagen. „Passagier und Fluglinien würden das nicht akzeptieren“, meint Luftfahrtjournalist Peter Pletschacher. Flugzeuge werden dennoch smarter. Airbus forscht bereits an einem System, bei dem mehrere Flugzeuge miteinander vernetzt sind, um in Zugvogel-ähnlicher Formation schneller an das Ziel zu kommen.

Der Co-Pilot der Germanwings-Maschine war für den Tag des Unglücks eigentlich krankgeschrieben - mittlerweile kursieren Spekulationen über eine psychische Erkrankung, über eine schwere depressive Episode, die ihn zu dieser Tat veranlasst haben soll. Bestätigt ist eine mögliche Depression von Andreas L. derzeit nicht, auch wenn Bekannte des jungen Mannes von einer "depressiven Episode" sprechen. Was eine solche Depression ausmacht und ob psychische Erkrankungen bei regelmäßigen Tests erkennbar wären, erklärt Univ.-Prof. Johannes Wancata, Leiter der Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien im Gespräch mit dem KURIER. Wancata ist auch Autor des Buches "Von der Depression zur Lebensfreude".

KURIER: In den Spekulationen um mögliche Hintergründe der Tat ist immer wieder die Rede von einer schweren depressiven Episode. Angeblich wurde auch eine Krankschreibung für den Tag gefunden. Was kann man sich unter dieser Erkrankung vorstellen?

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Univ.-Prof. Johannes Wancata: In dieser Situation ist es extrem schwierig, etwas Seriöses dazu zu sagen. Eine Depression ist eine Krankheit, die eine Krankschreibung rechtfertigen kann. Sie zeichnet sich durch Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Energielosigkeit aus, Dinge werden negativ gesehen, positive Aspekte werden nicht wahrgenommen. Es macht nichts Freude und man zieht sich zurück. Jeder fünfte bis siebente Österreicher erleidet im Laufe seines Lebens eine Depression. In den meisten Fällen führt das zum Glück nicht zu einer chronischen Erkrankung und mit Behandlung vergeht sie beim größten Teil innerhalb einiger Wochen.

Ist eine schwere depressive Episode eine Sonderform der Depression?

Der Schweregrad hat mit der Zahl und Intensität der Symptome zu tun. Es müssen nicht immer alle Symptome extrem schwer ausgeprägt sein. Außerdem muss man hier unterscheiden: Jemand kann auch sagen, er will nicht mehr leben, ohne unter einer psychischen Erkrankung zu leiden. Nicht jeder Suizidale ist depressiv. Zu wissen, was im Kopf von so jemandem vorgeht, ist extrem schwierig. Wir kennen Situationen, wo jemand zum Beispiel beim Autofahren plötzlich rasant aufs Gas steigt und das Leben vieler anderer riskiert. Das muss nicht aufgrund einer Krankheit sein.

Der Co-Pilot wollte seine Erkrankung offenbar vertuschen - wie stigmatisiert ist Depression heute noch?

Es ist heute eher akzeptiert als noch vor 20 Jahren, aber viele versuchen noch immer es zu verheimlichen. Oft wird eine körperliche Erkrankung vorgeschoben und die Patienten bitten, dass eine andere Diagnose hingeschrieben wird. Sie haben Angst, dass sich die Diagnose im Job negativ auswirkt oder dass Kollegen das mitbekommen.

Können möglicherweise Medikamente gegen Depressionen eine solche Tat begünstigt haben?

Die Rede ist von Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und die sind nebenwirkungsarm. Es gibt Patienten, die unruhig oder gereizt gereizt und manchmal auch mit Aggressionen darauf reagieren, aber ich kenne keine Fälle, wo jemand einen Mord begeht. Das wäre etwas extrem Ungewöhnliches. Ich könnte mir eher vorstellen, dass der Pilot ihm verordnete Medikamente nicht genommen hat, weil er Angst hatte, dass sie in einem Bluttest erkennbar gewesen wären, als dass Medikamente so eine Tat begünstigt hätten.

Der Co-Pilot soll schon mit Anfang 20 unter psychischen Problemen gelitten haben. Ist das besonders jung für eine Depression?

Depressionen kommen in jedem Lebensalter vor.

Was sind Auslöser dafür?

Zum einen können lebensgeschichtliche Faktoren eine Rolle spielen, wie etwa Erfahrungen in der Kindheit. Aber auch aktuelle Situationen wie plötzliche Arbeitslosigkeit, eine Scheidung oder ein Todesfall. Außerdem spielen biologische Faktoren mit - hier verstehen wir bisher aber nur bruchteilhaft, wie das alles zusammenhängt und das Risiko erhöht.

In den Spekulationen ist mitunter auch die Rede von psychotischen Störungen - was halten Sie davon?

Eine psychotische Symptomatik würde üblicherweise länger bestehen, viele wären gar nicht in der Lage gewesen, ein Flugzeug zu fliegen.

Hätte man nicht erkennen müssen, dass jemand suizidal ist?

Wir wissen, dass viele Menschen völlig unauffällig und normal wirken, sobald die Entscheidung für den Suizid gefallen ist. Dann ist es oft auch für Fachleute schwierig, das richtig zu erkennen.

Könnte man eine Depression im Rahmen von jährlichen, psychologischen Tests überhaupt erkennen?

Es gibt Fragebögen, die vorsichtige Hinweise geben, ob jemand eine Depression hat. Das Ergebnis ist aber nicht identisch mit einer Diagnose - dazu gehört auch eine klinische Untersuchung. Bei jeder Krankheit kann jemand versuchen, einem etwas vorzumachen, aber man kann mit gezielten Fragen relativ viel herausbekommen. Wenn jemand gezielt ausweicht, ist die Frage, warum weicht er aus.

Eine letzte mögliche Theorie: Eine solche Tat als Reaktion auf eine andere körperliche Erkrankung mit fataler Diagnose?

Als rationaler Entschluss klingt das für mich nicht sehr typisch. Es gibt Leute, die suizidal werden, weil sie wissen, sie haben nicht mehr lange zu leben oder sie müssen in den Rollstuhl. Wenn noch ein weiterer Schicksalsschlag dazukommt, dann steigt die Gefahr, dass jemand suizidal wird. Das ist aber sehr hypothetisch.