Die Arche Noah der christlichen Fundis
Von Dirk Hautkapp
Für die einen ist es die christlich-fundamentalistische Spielart von Disneyland, für die anderen ein gigantomanisches Zeugnis der Geschichtsfälschung. Am Donnerstag eröffnet in den grünen Hügeln von Williamstown im US-Bundesstaat Kentucky ein religiöser Erlebnispark biblischen Ausmaßes.
"Niemand außer Noah hat so etwas gebaut", sagte Initiator Ken Ham bei einem Ortsbesuch der Großbaustelle, "das ist ein Weltwunder der Moderne." Der Termin für die Premiere orientiert sich symbolisch an der Bibel. Im Buch Genesis heißt es in Kapitel 7, Vers 7: "Noah ging also mit seinen Söhnen, seiner Frau und den Frauen seiner Söhne in die Arche, bevor das Wasser der Flut kam."
Disney für Bibelfromme
Für Ham und seine Freunde der streng gläubigen Organisation "Answers in Genesis" (Antworten in der Schöpfungsgeschichte) ist das Traumschiff bereits der zweite Streich auf einer Mission, die zwei Ziele verfolgt: die Naturwissenschaften als gotteslästerliche Anmaßung darzustellen. Und die Evolutionslehre nach Charles Darwin aus dem Schulunterricht und damit dem Alltag zu verdrängen.
Bereits vor zehn Jahren eröffnete der kantige Australier, dem in der dünn besiedelten Heimat schlicht die Kundschaft für sein ehrgeiziges Vorhaben fehlte, knapp 60 Kilometer entfernt in Petersburg das "Creation Museum".
Über 2,5 Millionen Besucher haben sich seither dort für Eintrittspreise, wie sie im Pariser Louvre und im New Yorker Museum of Modern Art erhoben werden, multimedial einträufeln lassen, warum der Urknall Lichtjahre von der Wahrheit entfernt sein soll und nur die Bibel schöpfungsgeschichtlich recht haben kann. Und zwar Wort für Wort.
Die lesen Kreationisten so: Vor 6000 Jahren hat Gott die Welt erschaffen. In sechs Tagen. Am siebten machte er Siesta. Menschen und alle Tiere erschienen quasi gemeinsam auf der Welt. Also auch die Dinosaurier. Die starben nicht aus. Die Sintflut riss sie fort. So weit die in Stein gemeißelten Eckdaten.
Opulente Gemächer
Dass die Arche ausgerechnet zwischen Kentucky und Ohio vor Anker ging, ist geschäftstüchtige Strategie. "190 Millionen Menschen können uns binnen einer Tagesreise mit dem Auto erreichen", erklärt Hams Mitstreiter Mark Looy.
Der 62-Jährige führt seit Wochen im Stundentakt Journalisten aus aller Welt über die drei Decks der Arche, in denen bis zur letzten Minute gesägt, genagelt und gebohnert wurde. Neben dem biblischen Ursprungszweck – Tierverwahranstalt (allerdings nur ausgestopfte Exemplare in unzähligen Käfigen) hält das Innere einen Nachbau der ziemlich opulent geratenen Gemächer Noahs und seiner siebenköpfigen Familie parat. Dazu kommen Dutzende Ausstellungsboxen für jedwede biblischen Fragestellungen ("Ist Gott grausam?"), Hunderte Artefakte, Schautafeln und eine nach Noahs Frau Emzara benannte Cafeteria für 1500 Gäste.
Außen ist die Arche mit in Holland nachbehandelter Radiata-Pinie aus Neuseeland beschlagen. Innen riecht es nach Fichten und Eichen aus Oregon, Colorado und Utah. Der Fußboden ist mit Bambus ausgelegt.
Laut Umfragen interessieren sich Amerikaner, von denen übrigens zirka 50 Prozent empfänglich sind für die Botschaft, dass der Mensch nicht vom Affen abstammt, sondern eher Produkt eines göttlichen Plans ist, brennend für die Arche Noah. Selbst das mythische Inselreich Atlantis kommt da nicht mit.
Dabei war der ungewöhnliche Schiffsbau politisch dort alles andere als unumstritten. Weil Hams Verein "Arkencounter" (Archenbegegnung) auf der Baustelle nur bekennende Christen einstellte, regte sich Protest, als der Gouverneur des Bundesstaates den Betreibern Steuernachlässe von 18 Millionen Dollar einräumte und später auf öffentlichen Druck wieder einkassierte. Die Kreatonisten klagten vor Gericht. Und gewannen.
"Das hier ist eine Tourismus-Attraktion genau wie Disneyland oder die Universal-Filmstudios", sagt Ken Ham. "Wir hämmern sie den Leuten zwar nicht ein. Aber wir wollen schon unsere christliche Botschaft in die Welt tragen."
Turmbau zu Babel
Hams Beglückungsdrang ist noch längst nicht erschöpft. Auf dem 800 Hektar großen Gelände wird nach dem nächsten Spendenschnitt eine Stadt entstehen, wie es sie im ersten Jahrhundert nach Christus gegeben haben könnte. Auch der Turmbau zu Babel wird architektonisch nachempfunden.
Apropos. Anders als das nach langem Wasserchaos auf den Bergen Ararats gelandete Original in der Bibel muss der mit Treppenhaus, Aufzügen, Cola-Automaten, Sprinkleranlagen und Dutzenden Toiletten ausgestattete Nachbau nicht schwimmen können. Den Grund dafür hat Ken Ham natürlich in der Bibel gefunden. Genesis, Kapitel 8, Vers 21. Inhalt laut Gott, kurz zusammengefasst: Keine zweite Sintflut. Versprochen.