Chronik/Welt

Bosnien: "Die Schaufeln haben wir mit"

Nicht nur Häuser, Autos, Menschenleben – es gibt auch ein paar Mauern im Kopf, die diese Flut mit sich fortgerissen hat. "Ohne die Bosniaken hätten wir nicht überlebt", gestehen sich viele Betroffene in Doboj heute ein. Mit den Bosniaken will man üblicherweise möglichst wenig zu tun haben in dieser Kleinstadt im serbischen Teil Bosniens. Doch die Straße nach Banja Luka, der Hauptstadt der Republika Srpska, war durch die Flutkatastrophe unpassierbar geworden. Also kam die Hilfe aus dem bosnisch-kroatischen Landesteil, begleitet von einem simplen Grundgedanken, wie ihn ein Helfer formuliert: "Die Menschen brauchen überall dieselbe Hilfe."

Entspannung im Nordosten

Und diese Hilfe heißt an vielen Orten vorerst einmal eines: Schaufeln, putzen, desinfizieren. Während in Teilen Kroatiens und Serbiens die Flüsse – darunter auch die Donau – weiter anschwellen, sind im Nordosten Bosniens die Fluten bereits zurückgegangen. Was sie aber hinterlassen haben, macht Mahir, ein Helfer in Doboj, einer der am schlimmsten betroffenen Städte, gegenüber dem KURIER deutlich: "In den Straßen steht der Schlamm über ein Meter hoch, vermischt mit dem Dreck aus den Kanälen – und das alles wird langsam hart wie Zement."

Doch das Land, das sonst so mit seiner Zerrissenheit kämpft, mit politischen Machtspielen zwischen bosnisch-kroatischem und serbischem Teil, hält jetzt angesichts der Katastrophe erstaunlich eng zusammen. So wie Mirad sind Dutzende Helfer in Gruppen aus Sarajewo hierher nach Doboj, aber auch in andere betroffene Regionen gekommen.

Angst vor Seuchen

Die Schaufeln und das Putzmittel hat man gleich selbst mitgebracht. Jetzt packt man vor allem bei denen an, die sich selbst nicht mehr helfen können. "Wir putzen die Häuser der alten Leute", erzählt Mahir, "denn gerade die haben Angst vor Seuchen.

Nicht nur Schaufeln und Hilfsbereitschaft hat man aus Sarajewo mitgebracht, sondern auch ein paar Tausend Euro, die man rasch unter Freunden und Bekannten eingesammelt hat. Eine weit größere Summe hat inzwischen der serbische Tennisstar Novak Djokovic in Bewegung gesetzt. Er spendet 600.000 Dollar Preisgeld für die Hilfe in seiner Heimat.

Die Folgen der seit Wochen andauernden Regenfälle am Balkan sind längst nicht absehbar. In Medienberichten war von mehr als 40 Opfern in Bosnien und Serbien die Rede. Dass sich diese Zahl erhöhen wird, liegt angesichts der katastrophalen Lage auf der Hand (siehe YouTube-Video). Hinzu kommen Seuchengefahr und aus dem Erdreich ausgeschwemmte Landminen, die noch vom Jugoslawien-Krieg in den 90er Jahren stammen (mehr dazu siehe hier). Die Hochwassergefahr ist auch weiterhin aufrecht, Schutzdämme brachen am Dienstag (siehe unten).

Eine beispiellose Hilfsaktion starteten Darko Markovic und Ahmed Husagic. Die beiden in Wien lebenden Bosnier ergriffen angesichts der Lage in ihrer Heimat, sowie fehlender Infrastruktur und Hilfseinrichtungen die Initiative. Ihre "Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien-Herzegowina ging am vorigen Freitag um 11 Uhr auf Facebook online und führte dazu, dass knapp eine Woche später ein Hilfskonvoi mit insgesamt 16 Sattelschleppern in das Krisengebiet fährt. Wie kann man einfach und schnell etwas bewegen, fragten sich die Initiatoren. Unter dem anfänglichen Motto "Mach ma was" wurde die Aktion logistisch und unterstützend vom Samariterbund übernommen. Die Hilfsorganisation verfügt über das nötige Know-How, um eine Aktion in dieser Größenordnung durchzuführen. Deshalb konnten die beiden heute stolz von insgesamt 350 Palletten voll mit Hilfsgütern berichten.

Video: Helikopteraufnahmen aus Bosnien

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250 Tonnen und 10.000 Euro

Begonnen hat das Ganze im 15. Wiener Gemeindebezirk, in den gemieteten Räumlichkeiten des Samariterbundes. Die Spendenbereitschaft war von Beginn an enorm, sagt Ahmed Husagic. Nicht nur Bosnier, sondern auch Österreicher folgten dem Spendenaufruf. Auch serbische Staatsbürger kamen in das Lager. Bis Montag kamen nebst den 250 Tonnen an Sachgütern und Lebensmitteln insgesamt 10.000 Euro zusammen.

Am dringendsten werden Lebensmittel, Trinkwasser und Decken gebraucht. Die Menschen wurden über Nacht von den Wasserfluten überrascht. Gebäude sind bis in die oberen Stockwerke überflutet, ganze Dörfer wurden unter den Schlammmassen begraben. Das Land ist auf Katastrophen dieser Größenordnung nicht vorbereitet, es gibt keine staatlichen Fonds und keine Hilfsorganisationen. Umso notwendiger ist die Initiative von Markovic und Husagic. Die Spendenaktion ist längst nicht zu Ende, der Hilfskonvoi, der sich am Donerstag in Richtung Bosnien bewegt, wird nicht der letzte sein.

Wenn Sie sich an der Hilfe beteiligen möchten, gibt es hier weitere Informationen:

Facebook-Initiative "Hilfsaktion für Flutopfer"

Arbeiter Samariter Bund Österreichs
IBAN: AT97 1200 0006 5412 2001
BIC: BKAUATWWDringend gebraucht werden Sachspenden wie haltbare Lebensmittel, Babynahrung, Werkzeug, Staubmasken oder Gummistiefel.

Weitere Spendenmöglichkeiten:

Caritas: Erste Bank IBAN: AT23 2011100001234560 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Hochwasser Südosteuropa

Diakonie: Erste Bank IBAN: AT85 2011128711966333 BIC: GIBAATWWXXX, Kennwort: Fluthilfe Südosteuropa

Hilfswerk Austria International BAWAG P.S.K. IBAN: AT71 6000 0000 9000 1002 BIC: OPSKATWW Kennwort: Hochwasser Bosnien

Verein hilfhelfen - pomozi.ba Hilfsaktion für Flutopfer in Bosnien und Herzegowina IBAN: AT642011182266475400 BIC: GIBAATWWXXX

Bauern helfen Bauern: Raiffeisenbank Grödig AT75 3801 8000 000 1 0900 IBAN: RVSAAT2S018 www.bhb.sbg.at