Chronik/Welt

Fall Edathy: BKA dubios

Die Affäre Edathy weitet sich nun auch auf die polizeilichen Ermittler aus: Nach Politik und Justiz muss auch die oberste Polizeibehörde, das Bundeskriminalamt BKA in Wiesbaden, unangenehme Fragen beantworten. Es hatte schon im Oktober 2011 aus Kanada die Liste der 800 deutschen Kunden eines Kinderpornomaterial-Händlers bekommen, auf der der prominente SPD-Abgeordnete stand. Aber erst zwei Jahre später, nach Abschluss des viel beachteten Bundestagsausschusses zum Behördenversagen bei der Jagd auf die neonazistischen Ausländermörder der NSU-Gruppe, begannen die Ermittlungen gegen Edathy. Er war dessen Vorsitzender gewesen, wobei er streng wie kein anderer die Sicherheitsbehörden gerügt hatte.

"Entweder da waren Trottel am Werk, oder man wollte einen Skandal vermeiden", so FDP-Chef-Stellvertreter Wolfgang Kubicki. Linkspartei-Chef Bernd Riexinger widerspricht der BKA-Argumentation, dass Edathy nur auf der Kunden-Liste für die weniger harten Bilder stand und die erst später abgearbeitet wurde: "Das ist absolut nicht plausibel. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Spitze der Behörde über das belastende Material Bescheid wusste, als sie vom NSU-Ausschuss und Edathy befragt wurde. Da tun sich Abgründe kalkulierten Staatsversagens auf."

Der Chef des BKA Jörg Ziercke ist SPD-Mitglied wie Edathy, er musste sich schon dagegen wehren, im Oktober 2013 dem damaligen SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann die BKA-Ermittlungen über den Kinderpornografie-Verdacht gegen Edathy bestätigt und damit das Amtsgeheimnis verletzt zu haben.

Auch deutsche Anbieter

Offen ist zudem der Vorwurf in der Welt, dass Edathy auch langjähriger Kunde eines deutschen Porno-Anbieters war, dessen sexuell posierende Männer nicht alle unter 18 Jahre alt und damit minderjährig sein dürften. Auch davon hatte das BKA offenbar nichts mitbekommen.

Edathy selbst ist weiterhin im Ausland untergetaucht und begründet dies im Internet mit Morddrohungen. Er hatte für Montag eine umfangreiche Erklärung durch seinen Anwalt angekündigt, die bis Redaktionsschluss aber nicht abgegeben wurde. Von der wird Auskunft über viele Ungereimtheiten in seinem Verhalten erwartet: Edathy nutzt immer noch den seit seiner Zurücklegung des Bundestagsmandats vor drei Wochen ihm nicht mehr zustehenden Diplomatenpass. Der von ihm erst zwei Wochen später angezeigte Verlust seines Bundestagslaptops mit eventuell sensiblen NSU-Daten gilt ebenfalls als dubios.

Die SPD hat den Parteiausschluss ihres einstigen Jungstars eingeleitet, obwohl er weiter jedes strafrechtliche Vergehen bestreitet. Dies soll offenbar den Druck der Koalitionspartner etwas mindern.