"Es gibt keinen perfekten Mord"
Von Michael Berger
Ein Gerichtskiebitz hat mir erzählt, dass der Angeklagte nach meiner Beweisführung rote Ohren bekommen hat. Ich hab es nicht sehen können, denn man hat mich so in den Gerichtssaal geführt, dass ein Blickkontakt mit dem 43-jährigen Mordverdächtigen nicht möglich war“, erzählt Petra Rieck, 38, Forensikerin des Bundeskriminalamtes (BK).
Die Analyse der Biologin ließ die Verteidigungsstrategie des angeklagten deutschen Tischlers in sich zusammenstürzen. Er und die 36-jährige Ex-Lebensgefährtin des Südtiroler Mordopfers Peter Hilber sollen den Delikatessenhändler narkotisiert und danach erschlagen haben. Am 25. April 2012 wurde der Leichnam in Tirol gefunden, daher auch die österreichische Tatortsicherung.
Stichhaltiger Beweis
Im seit Wochen im Ravensburg ( Deutschland) geführten Indizienprozess gab es durch die österreichische Kriminalistin plötzlich den stichhaltigen Beweis. Bis zu diesem Zeitpunkt leugneten die Angeklagten hartnäckig. Forensikerin Rieck schaffte es, in zwei Monaten kriminaltechnischer Puzzlearbeit 14 Faserspuren einer Malerdecke zuzuordnen. Sie wurde in der Werkstatt des mordverdächtigen Tischlers sichergestellt. Auch an der Kleidung des Deutschen konnten Fasern nachgewiesen werden.
Forensikerin Rieck erinnert sich an die Reaktion im Ravensburger Gerichtssaal, als sie mit ihrer Beweisführung fertig war: „Es war still, sehr still. Ich hatte das Gefühl, dass jetzt alles gesagt war. Jetzt war der Deckel drauf. Ich verließ sofort den Saal.“
Richter lehnte Deal ab
Gesagt war allerdings noch lange nicht alles. Denn der Mordverdächtige beriet sich daraufhin mit seinem Verteidiger. Augenblicke später bot der Anwalt dem Gericht einen Deal an: Geständnis gegen Strafmilderung lautete die neue Taktik. Doch das Gericht zeigte keinerlei Interesse. Der eindeutige Faser-Beweis dürfte das mutmaßliche Täterpaar überführen.
„Das angeklagte Duo googelte vor der Bluttat sogar Themen zum perfekten Mord. Wie man aber jetzt sehen kann, gibt es keinen perfekten Mord“, plaudert die technische Biologin des Bundeskriminalamtes aus den Prozessakten.
Der forensische Faserbeweis gilt in der biologisch-mikroskopischen Spurensicherung als hohe Kunst. Der Leiter der Kriminaltechnik im BK, Robert Hirz erklärt warum: „Ein Malervlies besteht aus Dutzenden verschiedenen Stoff-Materialien. Das ist nicht einfach ein Baumwolltuch. Man muss diese Stoffe eher mit einer textiltechnischen Müllhalde vergleichen.“ (siehe Interview unten)
Am Freitag geht der Prozess in sein Finale. Prozessbeobachter rechnen mit zumindest ein Mal lebenslang. Erschütterndes Detail: Die 36-jährige Angeklagte hat mit dem Mordopfer ein gemeinsames Kind. Und vom mutmaßlichen Mörder, ihrem Geliebten, ist die Frau schwanger.
Interview.Robert Hirz ist Leiter der Kriminaltechnik im Bundeskriminalamt. Er vertraut der Technik, sagt aber: „Das menschliche Auge ist durch nichts zu ersetzen“.
KURIER: Welchen Anteil hat die Forensik am Bearbeiten von Kriminalfällen?
Robert Hirz: Das ist von Fall zu Fall verschieden, aber wir werden kontinuierlich besser. Wir können immer geringere Spurenmengen nachweisen.
Haben die TV-Serien wie etwa CSI mit der Realität etwas zu tun?
Durch das Mikroskop zu schauen und triumphierend zu sagen, der Tatort ist das Hotel ums Eck, ist gewagt. Aber der wissenschaftliche Background ist in Ordnung.
Werden Täter durch diese Serien sensibilisiert?
Eigentlich ist das wie Schulfernsehen. Das Wissen von Tätern ist gewachsen. Ja, sie werden durch solche Serien sensibilisiert.
Ist der exakt und kompromisslos ermittelnde Kriminalist ein Auslaufmodell?
Ohne Fahnder, genauer Tatortsicherung und profaner Recherche, geht gar nichts. Und vergessen Sie nicht: Die Kriminellen müssen auch gefangen werden.
Gibt es das perfekte Verbrechen?
Das weiß ich nicht. Aber die Luft wird sicher dünner.
Heißt was genau?
Die internationale Vernetzung wird dichter. Die zur Verfügung stehende Technik verbessert sich laufend. Hochleistungsmikroskope sehen fast alles. Allerdings ist das menschliche Auge durch nichts zu ersetzen.
Stichwort Vernetzung. Spielt Österreich im Konzert der Top-Nationen mit?
Wir sind Mitglied bei ENFSI (European NetworkForensic Science Institutes). Wir kommunizieren, wenn es sein muss, in der Minute, mit Kollegen aus aller Welt.